Sommer, Sonne, Cabrio


Die Sonne spüren. Die Sonne sehen. Die Sonne riechen. Und dabei fahren, reisen, cruisen, rasen, trödeln, posen – was auch immer, im Sonnenschein. Allein, zu zwein, zu drein oder zu viern, mit Freundin, Freund, Mama, Papa, Kindern, Opa oder Oma, aber immer oben ohne. Das ist Cabrio. Das ist Auto ohne Dach. Das ist schön, Genuss, Natur, Kraft, das ist sinnlich, das ist traumhaft. Teil 1 der Geschichte des Cabrios.

Dem Himmel so nah

Ein bisschen Goethe, abgewandelt, bitteschön? Bitte sehr: Zum Cabrio drängt, am Cabrio hängt doch alles. Ach wir Armen! (frei nach Gretchen, im „Faust“, die des Menschen Drang zum Golde beklagt) Denn wer ein Cabrio hat, will es nicht missen. Und wer keines hat, träumt davon. Im Sommer, im Sonnenschein. Auf einsamen Landstraßen, auf Serpentinen in den Bergen, am Deich entlang, auf der Corniche an der Côte d’Azur oder entlang der belgischen Nordseeküste zwischen Knokke und De Panne, rund um den Bodensee, womöglich auch auf der Kö in Düsseldorf oder der Leopoldstraße in München, wo jeder einen sieht. Oder auf einer drittklassigen Nebenstraße in der Bretagne (oder im Hinterland von Castrop-Rauxel), wo einen keiner sieht.

Sonne auf der Haut

Sehen und gesehen werden, das ist wichtig für die einen. Alleine sein mit dem Liebsten, von niemandem ertappt werden, das ist wichtig für die anderen. Cabriofahrten können so vieles bewirken: Mit dem Cabrio den Traumpartner kennen lernen, zum Picknick fahren, auf der Heimfahrt von der wichtigsten Vertragsunterzeichnung ever ausspannen, die Umgebung beschallen (früher Kenwood mit Equalizer, heute Bose-Soundsystem), den V8 röhren lassen wie einen brünstigen Hirschen oder flüstern lassen beim Dahingleiten. Es ist völlig gleichgültig, ob 70 oder 700 PS unter der Haube stecken – das Cabrio macht etwas mit Dir. Du zeigst Dich allen und Du lässt Dich feiern, offensiv, hey, seht her! It’s me, ich und mein Auto (und meine Freundin und meine Musik)! Oder umgekehrt: Verdeck zwar unten, aber die getönten Seitenscheiben oben, Lady und Gentleman mit Sonnenbrille und unter feinem Kopftüchlein (sie) und Prinz-Heinrich-Mütze (er) getarnt, der Wagen so silbern wie seine Schläfen, so diskret wie ihr Auftreten - ach bitte, schaut nicht her, erkennt mich nicht, Ich will zwar mein Cabrio genießen, aber nicht erkannt werden. Damit ja kein Neid aufkommt. Der Prototyp des Brüllcabrios mag der Lambo oder Ferrari oder Porsche sein, der Prototyp des Flüstercabrios der Bentley oder Maybach oder Mercedes. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist das aufklappbare Dach und die Lust der Besatzung, die Sonne auf der Haut zu spüren. Und das ist gar nicht wenig an Gemeinsamkeiten!

[1] Ein Alltime-Favorite: Das Käfer Cabrio, hier die Letztversion 1303. Gab es bis zum 10. Januar 1980 fabrikneu zu kaufen (Foto: VW)

[2] Auch ein absoluter Klassiker: Kein Cabrio ist in Deutschland häufiger mit H-Kennzeichen unterwegs als der Mercedes R 107 (Foto: Daimler-Benz)

Oben ohne als pures Luxusgefühl

Ein Cabrio ist heute Lust und Luxus. Das war nicht immer so. Aber es ist seit einem Dreivierteljahrhundert so, seit dem Zweiten Weltkrieg. Der war nämlich nicht nur politisch eine wesentliche Zäsur, sondern auch automobilistisch. Nach dem Krieg hat sich so vieles geändert. Das angesagte Styling hieß Pontonform. Und die Neukonstruktionen sind selbsttragende Karosserien. Die Pontonform bedeutet, grob gesagt, nur Modernität in der optischen Erscheinung – natürlich würde ein Karosseriekonstrukteur oder -techniker dieser Aussage widersprechen und einen stundenlangen Monolog halten. Für die Karosserieaufbauten bedeutet der Wechsel von der klassischen Konstruktion (eine Karosserie wird auf ein separates Fahrgestell geschraubt) zum selbsttragenden Aufbau (Karosserie und Fahrgestell als Einheit, quasi das Prinzip der Muschel), dass es keine Auswahl der Aufbauten mehr gibt. Die Neukonstruktionen nach dem Krieg sind entweder zwei- oder viertürige Limousinen oder Lieferwagen, also Kombis ohne hintere Seitenscheiben. Cabrios gehören nicht dazu. Denn Cabrios sind fortan Luxusgegenstände mit geringen prognostizierten Stückzahlen. Das überlassen die Großserienhersteller den externen Karosseriebauern. Und letztlich blieb das bis vor ungefähr 15 Jahren genau so.

[1] Das open-top-Gefühl kommt in jeder Preis- und Leistungsklasse auf. Das erste Golf Cabrio galt als Mädchenauto, aber wenn der Rieger Toni aus Niederbayern es in den Finger hatte, ist es fast so breit wie lang. (Foto: Toni Rieger)

[2] High class: Mercedes 300 SL Roadster W 198/II von 1957, ein Hochpreisklassiker. (Foto: afs)

[3] Für denjenigen, der auf der Sonnenseite geboren ist: Bentley Continental Azur von 1997. (Foto: Bentley)

Man saß sich vis-à-vis

Am Anfang ist das Cabrio. Die ersten Automobile, Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, sind offen – so wie die meisten Pferdekutschen auch, und deren moderner Nachfolger ist das Automobil. Ein Reiter auf dem Pferd hat auch kein Dach über dem Kopf. Die Karosserievarianten hören auf heute unbekannte Namen wie Dos-à-Dos, Vis-à-Vis oder Tonneau – Namen aus Kutschenbauzeiten, und sie geben an, in welchem Verhältnis die Passagiere zueinander sitzen. Denn nicht einmal das ist damals so definiert wie heute, wo die Menschen neben- und hintereinander mit Blickrichtung nach vorne im Auto sitzen. Im Vis-à-Vis beispielsweise sitzt man sich – nomen est omen – gegenüber, im Tonneau saß der Fahrer „normal“, die Passagiere saßen längs zur Fahrtrichtung. Sehr kurios aus heutiger Sicht!

[1] Lutzmann-Motorwagen vor der Übernahme des Herrn Friedrich Lutzmann und seines Inventars durch Opel. Aufnahme in Dessau im März 1898. (Foto: Archiv Daimler)

[2] Die ersten Autos sind offen: Horch 14/17 PS Tonneau von 1904. (Foto: Matthias Schmidt)

[3] Die Passagiere schaut der Fahrer an, und der saß auf der Rückbank: Fiat 3/12 PS von 1899. (Foto: Archiv Fiat)

Auf einen stabilen Rahmen passt jede Karosserie

Bald einigt man sich auf die heute übliche Sitzanordnung, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Und noch immer haben die Autos kein Dach, allmählich aber ein Stoffverdeck, und auch da gibt es Unterschiede, vom hochwertigen Wetterschutz mit seitlichen Einsteckscheiben („amerikanisches Verdeck“) bis zum elenden Stofffetzen, durch den Wind und Wetter pfeifen, weil er seitlich offen ist. Während die ersten Automobile, identisch zu den Kutschen, selbsttragende Konstruktionen sind, bildet sich die für die folgenden 50 Jahre übliche Bauweise heraus, wonach die Karosserie auf das Fahrgestell geschraubt wird, also beide Fahrzeugbestandteile erst nachträglich eine Einheit bilden. Man nennt das Rahmenbauweise. Die hat riesige Vorteile. Damals ist es üblich, dass ein Fahrzeughersteller nur das Fahrgestell mit der Mechanik (Motor, Getriebe, Achsen, Räder) liefert. Den Aufbau, also die Karosserie, erstellen externe Spezialisten vor Ort. Das sorgt für riesige Individualität, und deshalb kann man heute die ganz frühen Oldtimer kaum identifizieren, sofern man nicht ihren Kühler sieht. Der stammt nämlich auch vom Chassishersteller, und auf dem Kühler (manchmal auch auf den Radnaben) verewigt sich dieser mit einem Schriftzug. An offenen Wagen gibt es damals eine schier unüberschaubare Auswahl, meist handelt es sich um zweitürige Zweisitzer (so genannte Runabouts) oder viertürige Vier- bis Siebensitzer (genannt Tourenwagen). Offen sind sie alle. Erste geschlossene Wagen, also Limousinen, kommen erst um 1910 auf. Das sind Chauffeurfahrzeuge, denn häufig sitzt nur der Chauffeur unter einem festen Dach, die Herrschaften haben auf den hinteren Sitzen ein Cabrioverdeck. Diese Aufbauart nennt man Landaulet. Die letzten, allgemein bekannten Vertreter dieses Genres sind der Mercedes 600 Pullman und der Rolls-Royce Phantom VI: Paradefahrzeuge für Staatsmänner, die sich dem Volke zeigen. Die Queen saß freundlich lächelnd und huldvoll winkend im Landaulet, sofern es beim Staatsbesuch nicht regnet. Auch der Papst zeigt sich im offenen Wagen, bis es nach dem Attentat im Mai 1981 für ihn zu gefährlich wird. Seither sitzt er unter einer transparenten, aber gepanzerten Kuppel im Papamobil.

[1] Der Klassiker von Ford, die Tin Lizzy, hier als offener Runabout, laut Fotorückseitenbeschriftung 1928 bei Rostock fotografiert. (Foto: Archiv afs)

[2] Typischer Kleinwagen: Peugeot Bébé 1913 bis 1916. (Foto: Archiv afs)

[3] Die Herren fahren offen in einem FN-Tourenwagen von 1911. FN ist belgisch und steht für Fabrication Nationale. (Foto: Archiv afs)

[4] Offener Tourenwagen, ganz ohne Verdeck: Benz 25/45 PS von 1909 bis 1912. (Foto: Archiv afs)

[5] Zwei Damen und ihr Chauffeur: Renault 40 CV Doppel-Torpedo von 1919. (Foto: Archiv Renault)

[6] Von der Waterkant: Hansa-Lloyd aus Bremen, um 1914. (Foto: Archiv afs)

[7] Ganz was Seltenes: ein LUC 8/22 PS Zweisitzer von 1912, hergestellt von der Firma Loeb & Co. in Berlin. (Foto: Archiv afs)

Der moderne Herrenfahrer will ein Dach überm Kopf

In den 1920er-Jahren setzt sich der geschlossene Aufbau zunehmend durch, ist aber teurer als ein offener Tourenwagen. Konservative Leute reisen oben ohne, und schon damals wird vom Naturerlebnis gesprochen. Die Reisegeschwindigkeit ist damals weit gemächlicher als heute, und tatsächlich bekommen die Reisenden im offenen Wagen weit mehr (auch Negatives) von der Umgebung mit als jene in Limousinen, in denen sie abgeschirmt sind. In den 1930er wandelte sich die Betrachtung. Das „normale“ Auto ist ein geschlossener Wagen, und zunehmend wird die Karosserien komplett aus Stahl hergestellt, keine mit Blech verkleideten Holzgerüste mehr. Der offene Wagen steht für Sportlichkeit, der geschlossene für Alltagstauglichkeit und Bequemlichkeit. Das hängt auch mit der Kleidung zusammen. Wer in die Oper oder in die Vorstandssitzung fährt, kleidet sich anders als jener, der nur ein Cabrio hat. Der muss seinen Regenmantel auf der Toilette gegen den Anzug wechseln. Das macht man ein- oder zweimal. Dann kauft man sich einen geschlossenen Wagen. Damals bildet sich ein neues Genre heraus, der Roadster.

[1] Ein Sportsmann präsentiert sich und seinen Wagen, einen Opel 12/50 PS Tourenwagen 7 Sitze von 1927/28. (Foto: Archiv afs)

[2] Kleines Malheur: Presto Tourenwagen um 1920. (Foto: Archiv afs)

[3] Zwei befreundete Ehepaare machen einen gemeinsamen Ausflug im Opel 14/38 PS Viersitzer von 1919. (Foto: Archiv Matthias Schmidt)

[4] Die automobile Mittelklasse in den 1930er-Jahren: Adler Trumpf. (Foto: Archiv afs)

[5] Cabriolets in den 1930er-Jahren waren sportliche Liebhaberfahrzeuge, „pour le connaisseur“: BMW 327 vor der Wartburg in Eisenach, wo er hergestellt wurde. (Foto: Rainer Simons)

[6] Damals das Höchste der Gefühle: 1937er Horch 853 Cabriolet mit Karosserie von Gläser. (Foto: Archiv Matthias Braun)

Der kleine Roadster für den „Stenz“

Roadster-Karosserien sind klein und zweisitzig, Fahrzeuge für junge Männer mit sportlichem Appeal. Roadster-Karosserien wiegen wenig, und deshalb sind selbst mit moderaten 30 PS unter der Haube ganz ordentliche Fahrleistungen möglich. Der Stenz (wie man damals das nannte, was heute Womanizer heißt) findet mit einem knackigen Roadster schnell eine ebensolche Lady, seine Herzdame, aber das „Autochen“ steht der Familiengründung natürlich im Weg. Es macht aber höllischen Spaß, und in den 1930er-Jahren bildet sich ohnehin eine Bewegung, die den Spaß am Automobil mit dem Sport verbindet. Im großen Stile geht es dabei um Zuverlässigkeitsfahrten. Und im kleinen, privaten Bereich geht es tatsächlich nur um den Spaß an der Freud’, um die Freude an individueller Mobilität. Und einfach mal die Sau rauslassen.

[1] Ford Eifel Roadster mit Deutsch-Karosserie, Jahrgang 1938/39, in hübscher und schicker Zweifarbenlackierung. Die Türen mit konventionell geformter Oberkante ... (Foto: Archiv afs)

[2] ... während das Karosseriewerk Ihle in Bruchsal seinem Eifel Roadster desselben Jahrgangs tief herabgezogene Türausschnitte gönnt. Das sieht weniger elegant, dafür aber deutlich sportlicher aus. Ihle orientiert sich stilistisch an Renn- und Sportwagen. Nach dem Krieg sucht Ihle sein Glück in Karussells und Autoscootern für Schausteller. (Foto: Archiv afs)

Mit militärischem Hintergedanken: Geländesportveranstaltungen

Die Geländesportveranstaltungen dienen einerseits den Herstellern, ihre Fahrzeuge langstreckentauglich zu machen, andererseits bilden sie militärische Kraftfahrer aus, die ein Fahrzeug auch unter extremen Bedingungen steuern können. Veranstalter dieser Zuverlässigkeitsfahrten (die durchaus als Anfang der Rallyes betrachtet werden können) sind die Oberste Nationale Sportbehörde und der DDAC. Das war „Der Deutsche Automobil-Club“. So heißen die gleichgeschalteten Automobilclubs inklusive des ADAC während der NS-Zeit. Die Geländeprüfungen haben Breitenwirkung. Ist der Motorsport zuvor sozial wie technisch ein Luxussport, dem nur wohlhabende Menschen mit speziell dafür konstruierten Boliden frönen können, so sind die organisierten Geländeprüfungen in gewisser Weise „demokratischer“ – auch für die Hersteller, weil die Fahrten mit weitgehend serienmäßigen Autos (eben mit offener Spezialkarosserie) durchgezogen werden. Wer fuhr mit? Es sind Privatmänner, die es sich leisten können, einen speziell für diese Art Prüfungen gebauten Roadster zu kaufen. Es sind Werksmannschaften. Und es sind NSKK-Mannschaften. NSKK ist die Abkürzung für Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps. Das ist eine paramilitärische Unterorganisation der NSDAP. Die Mitglieder sind Uniformträger und haben Dienstgrade. Durch die Beteiligung von NSKK-Einheiten an den Geländesportprüfungen bekommt diese Sportart natürlich eine politische Dimension. Krass ausgedrückt: Wer einen Geländesportwagen erfolgreich über die Piste jagen kann, ist auch im Kriegsfall ein hervorragender Fahrer unter erschwerten Bedingungen.

[1] Opel „6“ 2 Liter Geländesportwagen bei der Ostpreußenfahrt im April 1935. Er hatte keine elektronische Bergabfahrhilfe und schaffte es trotzdem. Oder gerade deshalb. (Foto: Archiv Opel )

[2] Die Ostpreußenfahrt 1939 ist eine der letzten Rallyes vor Kriegsausbruch. Die Opel-Mannschaft jagt eine Steilflanke am Goldaper Berg herauf, ein Moränenzug aus der Eiszeit, ideal für eine Querfeldeinfahrt. (Foto: Archiv Opel)

[3] Nicht nur Opel beteiligte sich: Auto Union 1500 Geländesportwagen 1937 in Aktion. (Foto: Archiv Audi)

[4] Einer der wenigen, die überlebt haben: Adler Geländesportwagen in Liebhaberhand. (Foto: afs)

Der Systemwandel in der Karosseriekonstruktion

Nach dem Krieg werden die Karten komplett neu gemischt, auch die automobilen. Kaum mehr ein Fahrzeug hat ein separates Chassis. Borgward setzte Akzente mit der ersten deutschen Nachkriegs-Neukonstruktion, dem Borgward Hansa 1500. Bis auf wenige Ausnahmen (so dem BMW 501/502) besitzen Neuentwicklungen selbsttragende Ganzstahlkarosserien. Die mit Stahlblech oder Kunstleder verkleidete Holzkarosserie hat ausgedient – lediglich Borgward baut den kleinen Lloyd noch mit kunstlederverkleidetem Holzaufbau. Weil die selbsttragende Karosserie eine Einheit in sich darstellt, wird sie nur in den meistverkäuflichen Versionen konstruiert. Und das sind nun einmal Limousinen und Kombis, keine Cabriolets. Der offene Wagen wird zur reinen Liebhaberangelegenheit. Eine offene Karosserie auf Basis eines Bestandsfahrzeugs zu konstruieren, ist ein riesiger Aufwand, quasi eine Neukonstruktion. Weil das Dach Bestandteil der Struktur ist, bedeutet sein Wegfall einen tiefgreifenden Eingriff in dieselbe, die berechnete Stabilität war perdu. Die Karosserien müssen umfangreich versteift werden, um halbwegs verwindungsfrei und sicher zu sein. Längsversteifungen sind weniger das Problem: Da reichen Verstärkungen entlang der Türschweller und/oder des Kardantunnels. Das Problem ist die Querversteifung, denn hier kommt nur der Windschutzscheibenrahmen in Frage. An den Überrollbügel denkt in den 1950er-Jahren noch niemand. Den Karosseriebauern bläst wegen der selbsttragenden Bauweise zunehmend der Wind ins Gesicht. Wenige Karosseriebauer können sich spezialisieren: Kranken- und Bestattungswagen beispielsweise sind bis heute die Domäne weniger, spezialisierter Fachbetriebe. Auch ein Weg zum Überleben ist die Partnerschaft mit der Industrie. So haben einige im Auftrag großer Hersteller Cabriolets in Serien gebaut, die sich wegen der Stückzahlen nicht für die groß angelegte Fließbandproduktion eignen. Karmann in Osnabrück konzentriert sich auf das VW Käfer Cabriolet und den Karmann Ghia, Baur in Stuttgart arbeitet mit DKW und BMW zusammen, Karl Deutsch in Köln liefert offene Ford und Autenrieth in Darmstadt sorgte für oben-ohne-Opel. Einzig Daimler-Benz und Porsche bedienen die Cabriolet-Kunden via Fließband. Aber das sind eben sehr teure Fahrzeuge.

[1] Das Cabriolet schlechthin: Der offene Käfer in seinem ersten Baujahr 1949, Karosserie Karmann. (Foto: Archiv VW)

[2] Der große Bruder des Käfer: Porsche 356 Cabrio aus den frühen Fünfzigern. (Foto: Archiv afs)

[3] Die Alternative zum Käfer ist der Ford Buckel-Taunus, der auch von Karmann geöffnet wird. Im Bild ein Taunus Spezial von 1950. (Foto: Archiv afs)

[4] Paradefahrzeug für die Weinkönigin: Mercedes 220 W 187 Cabriolet von 1952. (Foto: Archiv Daimler)

[5] Der absolute US-Traumwagen: Ford Thunderbird 1955, der stets mit dem Film „American Graffiti“ in Verbindung gebracht wird. (Foto: Archiv Ford USA)

Cabriolimousine:
Nicht Fisch, und nicht Fleisch

Ein Kompromiss hätte die Cabrio-Limousine sein können. Die eignete sich gut für selbsttragende Aufbauten, was Opel schon 1935 beim Olympia demonstrierte, dem ersten selbsttragenden Großserienauto mit Ganzstahlkarosserie. Die Cabriolimousine unterscheidet sich vom (Voll-)Cabriolet dadurch, dass rund um die Fensterscheiben ein Stahlrahmen stehen bleibt, der das Karosseriekonstrukt verstärkt. Das Gefühl der Offenheit ist also dadurch eingeschränkt, dass die Besatzung auch seitlich wie aus einer Limousine herausschaut, aber eben trotzdem ein zurückklappbares Dach hat. Diese Karosserieform setzte sich durch, als Mitte der 1930er-Jahre erste Ganzstahlkarosserien in Mode kamen. Doch die Kunden nahmen es nicht dauerhaft an, es war nichts Halbes und nichts Ganzes, nicht Fisch, nicht Fleisch. Die letzte deutsche Cabriolimousine war der Opel Rekord 1953 bis 1956. Denn schon nach dem Krieg war dieser Karosserietypus ein Auslaufmodell. Nur ein Fahrzeug rettete die Cabriolimousinen-Bauart bis zum Anfang der 1990er-Jahre: der Citroën 2CV, die Ente. Heute erlebt es ein fröhliches Revival, zum Beispiel beim Fiat 500.

[1] Zuerst erscheint die Cabriolimousine des Olympia. Sie soll beweisen, dass der selbsttragende Aufbau des Olympia von 1935 stabil ist. Die Limousine folgt ein halbes Jahr später. (Foto: Archiv afs)

[2] Eine aussterbende Gattung ist die Cabriolimousine in den 1950er-Jahren, einzig Opel hält daran fest. Olympia Rekord ’53 mit schweizerischer Zulassung. (Foto: Wolfgang Diem)

[3] Die Cabriolimousine schlechthin ist der Citroën 2CV. Hier dient er einem Enten-begeisterten Paar sogar als Hochzeitsauto, gesehen in Dijon im Sommer 2009. (Foto: afs)
[1] Sehr hoher Putzigkeitsfaktor: Renault 4CV Cremeschnittchen als Cabriolimousine mit vielen zeitgenössischen Chromaccessoires. (Foto: Archiv Renault)

[2] Zählt zu den Klassikern: Der Fiat Nuova 500 mit komplett aufrollbarem Dach. Foto: Archiv Fiat)

Fortsetzung in der nächsten Woche!

Text: Alexander F. Storz
Titelbild: Der letzte Schrei: Weißwandreifen am Fiat 512 Torpedo 1926 bis 1928.(Archiv Fiat)

Curioses zum Cabrio

Das Schiebedach ist nichts als ein Loch im Stahldach einer Limousine oder eines Coupés. Für einen Cabriofetischisten ist es niemals eine Alternative.

Cabriofahrer sollten eine Kopfbedeckung tragen. Die UV-Belastung wird unterschätzt, weil der Fahrwind suggeriert, die Sonne brenne nicht herunter.

Früher haben Cabrios keinen Teppichboden, sondern nur Gummimatten und keine Stoff-, sondern Kunstlederbezüge. Zur Not kann man ein Cabrio offen in den Regen stellen.

Definition Cabrio: Fahrzeug, das man bei schönem Wetter offen fahren kann. Definition Roadster: Fahrzeug, das man bei „Schietwetter“ notfalls geschlossen fahren kann.

Inspektor Columbo fährt sein Peugeot 403 Cabriolet sehr lange (von 1968 bis zum Ende der TV-Serie 2002). Aber das Dach ist nie geöffnet.

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