Wohlstand für Lanzarote


Bis in die 1960er-Jahre fristete die Kanareninsel Lanzarote einer Randexistenz. Der Ausbau des Flughafens und aufkommender Flugtourismus brachten die Wende. 1962 öffnete die erste Unterkunft, sechzig Jahre später landen jährlich über sieben Millionen Sonnenhungrige. Ein Museum im alten Terminal von Arrecife zeigt, wie der Flugverkehr alles veränderte.

Die Kanarischen Inseln galten historisch stets als das Ende der bekannten Welt. Rund 1.200 Kilometer südwestlich vom südspanischen Málaga im Atlantischen Ozean querab von Westafrika gelegen, ist Lanzarote eine von sieben größeren Kanareninseln. In dieser geografischen Lage bietet sich besonders das Flugzeug als Transportmittel an – und der Luftverkehr hat das Schicksal des Vulkaneilands in nur wenigen Jahrzehnten komplett verändert. Ohne Luftverkehr ist auch der heutige Wohlstand der Kanaren nicht denkbar – denn der stützt sich vor allem auf den Massentourismus. Das Geschäft mit sonnenhungrigen Europäern, vor allem Briten und Deutschen, ist seit den 1960er-Jahren zunächst vor allem auf Teneriffa erblüht, später auf Gran Canaria und Fuerteventura. In genau dieser Reihenfolge erhielten die ersten Kanareninseln auch eigene Flughäfen – 1930 öffnete der bis heute als Teneriffa-Nord genutzte Los Rodeos-Flughafen, im selben Jahr Gando auf Gran Canaria und 1940 Tetia auf Fuerteventura. Erst 1946 konnten die ersten Flugzeuge auf Lanzarote landen, der viertgrößten und nordöstlichsten der Kanareninseln, und durch ihre vulkanisch geprägte Kargheit der Exot.

Schon 1924 wasserte ein Dornier-Wal-Flugboot im Hafen von Arrecife. 1930 bekamen Teneriffa und Gran Canaria als erste Kanareninseln Flughäfen. In Lanzarote war es erst 1946 soweit.

Zuerst kamen Flugboote, dann Zeppeline

Das damalige Flughafengebäude, ein schmucker weißer Bau, der aus der Luft selbst im Aussehen einem Flugzeug gleicht mit dem integrierten Kontrollturm als Kabine, steht bis heute in Sichtweite des modernen Terminals am Flughafen Arrecife. Seit 2002 befindet sich hier ein faszinierendes Museum zur Luftfahrtgeschichte der Insel selbst und der Kanaren allgemein. Im Museo Aeronáutico del Aeropuerto de Lanzarote, so der vollständige Name, lässt sich nachvollziehen, wie das Flugzeug im Laufe der Jahrzehnte die Entwicklung der Kanaren ermöglicht hat. 1919 landete ein zweisitziges französisches Flugboot in Arrecife, der Inselhauptstadt von Lanzarote, als erstes Luftfahrzeug überhaupt. 1924 dann besuchte eines der berühmten Dornier Wal-Flugboote die Insel, während sich Gran Canaria zum wichtigen Stützpunkt der frühen Luftfahrt der Kanaren entwickelte. Am 20. Mai 1930 ein weiterer Meilenstein: Eine Ford TriMotor AT mit dem Kennzeichen M-CKKA führte den ersten regulären Liniendienst auf der Route Madrid–Gran Canaria (Gando)–Teneriffa (Los Rodeos) durch, betrieben von der durch staatliche Subventionen gestützten Fluggesellschaft CLASSA. Ebenfalls 1930 zeigten sich die deutschen Zeppeline über Gran Canaria und Teneriffa, die unterwegs über den Südatlantik nach Südamerika waren. Die fliegenden Riesenzigarren erregten großes Aufsehen, unterbrachen ihre Reise auf den Kanaren aber nicht, sondern warfen lediglich Postsäcke über den beiden Inselhauptstädten ab.

1946 eröffnete das im inseltypischen Stil gebaute erste Terminalgebäude, das heute das Museum beherbergt. Der damalige Kontrollturm ist auch von innen erhalten und kann besichtigt werden.

Flughafenmuseum im Ur-Terminal von 1946

Mitte der 1930er-Jahre brauchte dann die Luftpostgesellschaft LAPE auch eine Basis auf Lanzarote, der dem Mutterland Spanien nächstgelegenen Insel. Bereits 1936 wählte man ein Areal am Strand Playa Guacimeta im Osten der Insel unweit der Hauptstadt Arrecife als Flugplatz, doch mit Beginn des Spanischen Bürgerkriegs kurz darauf kamen alle Aktivitäten zum Erliegen. Erst im Dezember 1940 wurden 80 Hektar Land in unmittelbarer Meeresnähe eingeebnet, um als Sandpiste zu dienen. Sechs Jahre später eröffnete das im inseltypischen Stil gebaute Terminalgebäude, in dem sich heute das Museum befindet. Am 12. Juni 1946 dann war es soweit – eine Junkers Ju-52 von Iberia mit der Registrierung EC-DAM führte den ersten Linienflug nach Lanzarote-Guacimeta durch. Schnell entwickelte sich das im Terminal eröffnete Café, aus dem man den Flugbetrieb beobachten konnte, zu einem beliebten Treffpunkt der Inselgesellschaft. Die äußeren Bedingungen damals waren hart – oft musste aufgrund schlechter Sicht- und Pistenverhältnisse der Flugverkehr unterbrochen werden. Starker Wind wirbelte den Sand der unbefestigten Anlage auf und führte selbst bei strahlendem Sonnenschein zu undurchdringlichen Staubwolken. Wenn es Regen gab, waren Rollbahnen und Pisten oft überflutet, und das Wasser blieb in kleinen Seen über Tage stehen und verhinderte den Flugbetrieb.

Zunächst war der Flugbetrieb auf Lanzarote wegen schlechter Verhältnisse durch die fehlende Befestigung oft nur rudimentär möglich. Erst seit den späten 1950er-Jahren wurde alles asphaltiert. Das Museum zeigt Fotos und Artefakte der frühen Zeit.

1965 öffnete das erste Hotel, 1970 das neue Terminal

Erst über zehn Jahre nach dem kommerziellen Erstflug wurden schließlich die Start- und Landebahn und die Rollflächen asphaltiert. Doch Tourismus war damals noch kaum existent, in den 1960er-Jahren gab es gerade drei regelmäßig von Lanzarote aus beflogene Routen – Iberia verband die Nachbarinseln Gran Canaria, Fuerteventura und Teneriffa mit der Vulkaninsel. Zum Einsatz kam zunächst noch die DC-3, später die Fokker F27. Erst 1962 gab es die erste Unterkunft, 1965 entstand in Lanzarote das erste Hotel mit 120 Zimmern auf drei Etagen, die Inselbevölkerung lag damals bei 40.150 Menschen. Ende der 1960er-Jahre begannen die Arbeiten für ein neues Terminal, bis 1970 blieb das alte Gebäude von 1946 in Betrieb, bis am 3. März 1970 das neue Abfertigungsgebäude übernahm. Der stetig steigende Flugtourismus brachte den Kanaren einen riesigen Wirtschaftsaufschwung, zumal die Inseln mit ihrem milden Klima ein Ganzjahresziel sind. Inzwischen zählt die Insel zu den am schnellsten wachsenden Gebieten in ganz Spanien. Die Bevölkerungszahl inklusive Langzeit-Touristen wurde 2019 mit 206.000 angegeben, eine Verfünffachung seit Beginn des Flugtourismus. Von 1970 bis 1999 wurde das erste größere Terminal mit immer neuen provisorischen Vergrößerungen weiter genutzt, auch für die Passagiere eines Concorde-Sonderflugs 1986. Bis 1999 war die Passagierzahl des Flughafens dann auf 4,7 Millionen im Jahr angestiegen, höchste Zeit für die Eröffnung eines inzwischen errichteten großzügigen Neubaus im gleichen Jahr. Mit einem neuen Passagierrekord von 7,35 Millionen abgefertigter Fluggäste lag der Aeropuerto César Manrique–Lanzarote, wie er seit 2019 offiziell heißt, bereits 2022 weit über den sechs Millionen Nutzern jährlich, für die der Komplex ausgelegt ist.

Seit den 1970er-Jahren ist der Flughafen Arrecife geprägt vom Charter- und Urlauberverkehr vor allem auch deutscher Airlines. Da die Piste parallel zum Strand verläuft, gibt es sehr gute Möglichkeiten, Baden und Spotten zu verbinden.

Nostalgischer Blick aus dem Tower von 1946

Stark ist der Kontrast, wenn man auf dem historischen Tower, der voll erhalten Teil des Museums ist, vor dem riesigen Metall-Kasten steht, der den Flugfunk ermöglichte und auf den heutigen Flughafen blickt. Die Ausstellung unten in der alten Haupthalle begeistert nicht nur mit vielen historischen Fotos und Originalstücken wie alten Tickets, auch das Gebäude selbst inklusive des Cafés ist liebevoll restauriert. Auf dem alten Vorfeld steht ein einsamer Wright-Cyclone-Kolbenmotor, er gehörte zu einer französischen Lockheed Super Constellation, die hier am 25. August 1969 nach doppeltem Motorschaden für immer strandete. Das ist ein gutes Stichwort – denn nach dem Museumsbesuch sollten Luftfahrtfreunde sich per Mietwagen unbedingt zur nahe gelegenen Playa Guacimeta begeben, dem langen Sandstrand, der sich parallel zur Piste erstreckt. Auf der einen Seite das Meer, im Hintergrund Arrecife und gegenüber die bizarre Vulkanlandschaft, schöner lassen sich nirgends Flugzeuge beobachten und fotografieren.

Auf dem Aeropuerto César Manrique–Lanzarote findet auch Linienverkehr statt, etwa zwischen den Inseln, aber auch täglich nach Madrid.
Text und Bilder: Andreas Spaeth

Informationen

Das Museo Aeronáutico del Aeropuerto de Lanzarote liegt an der Einfahrt zum Flughafen von Arrecife, beim Schild „Museo“ rechts abbiegen. Es ist von Montag bis Samstag jeweils von 10:00 bis 14:00 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei, Tel. +34-928-846 365.

Iberia Airbus A320 neo – EC-NER „Barajas“
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Artikelnummer:
613064
Maßstab:
1:200
24,95 €