Wo der Tsuru zu Hause ist


Das JAL Skymuseum am Flughafen Tokio-Haneda ist modern und unterhaltsam, vor allem aber bietet es ungeahnte Einblicke in die bewegte und im Westen kaum bekannte Geschichte von Japans nationaler Airline. Als Extra gibt es beim Besuch eine Führung durch den Wartungshangar – und am Ende wartet eine Überraschung.

Nicht viele große Airlines betreiben ein öffentlich zugängliches Firmenmuseum, und auch das Skymuseum von Japan Airlines (JAL) findet man nicht zufällig. Es liegt quasi neben einer der Pisten am größten Flughafen Tokios (und Japans, Platz drei weltweit) in Haneda, nur eine halbe Stunde mit der Monorail vom Zentrum entfernt. Allerdings versteckt im hier ansässigen JAL-Wartungszentrum und nur nach Online-Anmeldung zu besuchen. Aber es lohnt sich! Die moderne Aufmachung und die interessanten ausgestellten Objekte lassen Avgeek-Herzen höher schlagen. Besucher betreten das Skymuseum im Atrium des Wartungsgebäudes über die Sky Runway, einer pistenähnlichen Ausstellungsfläche mit Displays zu interessanten Job-Beschreibungen bei JAL sowie Kabinen-Mockups und einem Boeing 737-Simulator. Japaner lieben es Fotos zu machen, hier können Besucher Uniformen anziehen und damit posieren. Am interessantesten aber ist die „Archivzone“, denn hier sind seltene Originalstücke zu besichtigen. Und man lernt, dass das klassische JAL-Logo, genannt Tsurumaru, einen Kranich zeigt, Tsuru auf Japanisch.

Das JAL Skymuseum bietet Luftfahrt zum Anfassen. Besucher können im Cockpit eines Boeing 737-Simulators Platz nehmen und sogar einen Blick in den aktiven Wartungshangar gleich neben dem Museum werfen.

Pionier aus dem Land der aufgehenden Sonne

JAL hob am 25. Oktober 1951 erstmals zu einem Inlandsflug ab, damals mit einer Martin 202 Jupiter von Tokio über Osaka nach Fukuoka. Erst am 2. Februar 1954 begann das internationale Zeitalter von Japan Airlines mit dem ersten Flug auf der Strecke Tokio-Wake Island-Honolulu-San Francisco, damals zweimal die Woche bedient, einfacher Flugpreis 650 Dollar, etwa 7.600 Dollar in heutiger Kaufkraft. Aus dieser Ära stammt etwa der Sextant im Museum, mit dem aus einer gläsernen Kuppel im Cockpitdach über die Sterne die Position bestimmt werden konnte. Oder der „Happi Coat“, eine Art seidene japanische Hausjacke mit eingesticktem JAL-Schriftzug, den ab 1959 First-Class-Gäste an Bord als Geschenk bekamen. Weltberühmt wurde das Kleidungsstück, als die Beatles im Juni 1966 bei ihrer Ankunft in Tokio in Happi Coats gekleidet die JAL-DC-8 nach einem Transpolarflug verließen. Von den bereits seit den 1950er Jahren durchgeführten Transpazifikflügen mit Überquerung der Datumsgrenze und den 1960 eingeführten Nordpolüberquerungen zeugen die damals ausgegebenen farbenfrohen Zertifikate für die Passagiere. Ab 1986 konnten japanische Flugzeuge erstmals den direkten Weg über Sibirien nach Europa nutzen und damit direkt auf sehr viel kürzerer Strecke London und Paris erreichen. Seit dem Ukraine-Krieg gilt das leider nicht mehr, weder für japanische noch für westliche Jets.

JAL blickt auf eine reiche Geschichte seit 1951 zurück, in der sie auf vielen Gebieten Pionier war – von Flügen über den Nordpol oder über die Datumsgrenze bis hin zu ersten Strecken über das Territorium der damaligen Sowjetunion nach Europa ab 1986. Die bunten Happi Coats sind bis heute ein beliebtes Souvenir aus der First Class. Die Uniformen waren dagegen bei JAL selbst nie bunt, nur bei anderen Inlandsgesellschaften, die später mit ihr fusionierten und deren Uniformen auch ausgestellt sind.

JALs stolze Flugzeugparade

Japaner lieben Flugzeugmodelle, und im Skymuseum kommen sie sehr auf ihre Kosten. Alle Flugzeugtypen, die JAL in ihrer langen Geschichte betrieben hat, sind hier in größerem Maßstab zu sehen, von Propellermaschinen wie der DC-4, DC-7 und der einheimischen YS-11 bis hin zum neuesten Airbus A350. Auch Flottenmitglieder von Gesellschaften, die mit JAL fusionierten und lange Geschichte sind, gibt es zu sehen. Etwa ein früher Airbus A300 B2, der ursprünglich für die Inlandslinie Toa Domestic Airlines (TDA) und nach einer Fusion 1988 für Japan Air System (JAS) flog, die wiederum 2004 in JAL aufging. Interessanterweise entschied sich JAS dafür, die Airbus-Hausfarben quasi 1:1 zu übernehmen. Auch das Modell einer JAS MD-87 trägt noch ein daran angelehntes Farbkleid. Das eindrucksvollste Modell ist aus Blech, schon leicht verschrammt und stammt aus den 1960er Jahren – eine Concorde in JAL-Farben. Drei Optionen hatten die Japaner damals erteilt, Überschall geflogen sind sie nie.

Die Flotte von JAL seit 1951 ist vollständig in Modellen repräsentiert, die im Skymuseum ausgestellt sind. JAL selbst hat bis zur Ankunft der ersten A350 im Jahr 2019 immer nur amerikanische Flugzeuge bestellt, die von ihr betriebenen A300-600 kamen erst nach der Übernahme von JAS zur JAL. Einzige andere Ausnahme war die YS-11, eine Turboprop aus japanischer Produktion, die aber auch von TDA/JAS übernommen wurde. Nur ein halbes Jahr nach Pan Am nahm JAL im Juli 1970 ihre erste Boeing 747-100 in Betrieb, sie sollte später die weltweit meisten 747 in ihrer Flotte haben.

Highlight im Hangar

Das Museum können Besucher allein durchstreifen, das anschließende Highlight gibt es nur mit Führung und unter zuvor verteilten Helmen. Eine weiße Tür öffnet sich  und man steht im aktiven Wartungshangar von JAL, mit tollem Blick von einer Empore auf die weiten Flugzeughallen. Hier stehen eigentlich immer einige JAL-Jets und warten auf ihren nächsten Einsatz, meistens Boeing 787. Mit Glück stehen die Hangartore offen und der Blick fällt auf die angrenzende Piste und den Flugbetrieb davor. Zur richtigen Jahreszeit und bei klarem Himmel scheint hier spät nachmittags die Sonne herein, und nach ihrem Untergang leuchtet draußen die Silhouette des Mount Fuji. Genauso heißt auch der Höhepunkt des Besuchs, versteckt in der hintersten Ecke des Hangars: die Frontsektion einer ehemaligen JAL DC-8-32, Taufname Fuji. Es handelt sich dabei um die erste DC-8 der Japaner, ausgeliefert im Juli 1960 als 78. Exemplar dieses damals neuen Vierstrahlers. Auf ihr wurde erstmals das Tsurumaru-Logo des Kranichs mit ausgebreiteten Flügeln angebracht, damals noch vorn hinter den Cockpitfenstern. Es blieb bis 1989 auf den Leitwerken und prangt dort wieder seit 2011.

Der Besuch in der aktiven Wartungshalle der JAL in Haneda ist ein Höhepunkt des Museumsbesuchs. Im hintersten Winkel steht die Frontsektion der ersten JAL DC-8 von 1960. In dem damals vorn eingebauten Salon reisten 1966 die Beatles erstmals zu umjubelten Konzerten nach Japan.

Text und Bilder: Andreas Spaeth

Informationen

Das JAL Skymuseum befindet sich nahe der Monorail-Station Shin Sheibijo am Flughafen Tokio-Haneda. Montags, dienstags, donnerstags und am Wochenende gibt es täglich drei Besuchszeiten mit Beginn zwischen 9.30 Uhr und 14.45 Uhr. Diese können auch für englischsprachige Touren ab einen Monat vorher hier online reserviert werden, der Eintritt ist frei.Mehr über das Museum