Sparsamkeit hat ihren Preis


1964 zunächst als Clipper Trucking Co gegründet, hat sich das heute als Spirit Airlines firmierende Unternehmen mit der Verlagerung von der Straße in die Luft zu einem der Shooting-Stars in der Low-Cost-Branche der US-Airlines entwickelt. Billig ist bei Spirit allerdings nur der nackte Sitzplatz im Flieger, jedes Extra hat seinen stolzen Preis. Das Geschäftsmodell erwies sich dennoch als ausgesprochen erfolgreich. Seit allerdings auch die etablierten Fluglinien Tickets zu ähnlichen Preisen anbieten, ist auch der Markt für die US-amerikanische Kopie des Billigflugkonzepts der Ryanair eng geworden.
Für 3,8 Milliarden US-Dollar will JetBlue aus New York die Spirit Airlines aus Florida übernehmen, doch noch sind nicht alle Bedenken der US-Justizbehörde überwunden. Bild: Timo Breidenstein

Die Stadt Miramar liegt an der Ostküste des US-Bundesstaats Florida in unmittelbarer Nähe von Fort Lauderdale, wiederum nur 30 Kilometer nördlich von Miami gelegen. Florida ist das Urlaubs- und Ruhestandsziel Nummer Eins für US-Bürger, wohin nicht nur die „Upper Ten“ gerne reisen, sondern es auch Normal- und Geringverdiener aus den wintergeplagten Nordstaaten und Kanada zieht. Miramar ist die Heimat der 1980 zunächst als „Charter One“ gegründeten Regionalgesellschaft. Ihr Name wurde 1992 mit Aufnahme von überregionalen Flügen und der Beschaffung gebrauchter DC-9-Jets in Spirit Airlines mit Basis am Hollywood International Airport (FLL) aus dem nahe gelegenen Ft. Lauderdale in Spirit Airlines geändert.

[1] Diese bereits 22 Jahre alte McDonnell Douglas DC-9-41 gehörte ab 1996 zu den ersten Jets der Spirit. Bild: AeroIcarus, CC

[2] McDD MD-81, Fort Lauderdale 2003. Bild: AeroIcarus, CC

Geschäftsmodell ist das einer „Ultra Low Cost Airline“ – also einem Angebot, das jenseits der puren Beförderungsleistung keinerlei Service bietet, außer gewisser Zusatzleistungen zu deftigen Preisen. Im Gegenzug allerdings, wurden Ticketpreise jenseits aller bis dahin gewohnten Größenordnungen geboten. Doch die niedrigen Preise hatten einen weiteren, derben Haken. 1994 schloss sich das Management mit absichtlichem Überbuchen einem üblen Vorbild anderer Airlines an. Das war quasi die Rache der Carrier für undiszipliniertes Kundenverhalten, die Flüge buchten, die sie zum Teil nicht antraten. Diese „Now Shows“ waren teuer, Überbuchen als Gegenmaßnahme aber riskant. Viele dadurch gestrandete Passagiere sorgten für wütende Proteste und Prozesse. Die Folgen waren ein schwerer Imageverlust, von dem Spirit sich nur schwer erholte.

Airline für Sparfüchse

Besagtes Modell wurde aber prinzipiell begeistert angenommen, und das bei weitem nicht nur von und nach Florida. So wurden im Gegenteil erste Flüge 1992 ab Boston und Detroit durchgeführt, weshalb die Hauptniederlassung zunächst in Eastpoint, Michigan, eingerichtet wurde. Eingesetzt wurden gebrauchte DC-9 aus allen denkbaren Quellen, erstes Flugzeug war eine bereits 21 Jahre alte Ex-Ansett Australia DC-9-31. Ab 1998 kamen auch neuere MD-80 hinzu.

Insgesamt 37 MD-80 aller Serien wurden von 1998 bis 2010 in neuer, stark modernisierter Bemalung eingesetzt. Hier die erste ihrer Art, die 1982 für Inex Adria gebaut wurde. Bild: Konstantin v. Wedelstaedt.

1999 erfolgte der Umzug ins heimatliche Miramar. In diese Zeit fällt mit Janet Patton auch die Beschäftigung der ersten weiblichen Kapitänin. Doch schon zur Jahrtausendwende erlitt Spirit einen neuen, derben Imageverlust durch eine Strafe der US-Luftfahrtbehörde FAA für allzu lässige Interpretationen bezüglich Vorschriften zu Sicherheitsinfos für Passagiere in Sitztaschen, Ablagen oder Türen. Die Strafe selbst war mit 67.000 Dollar relativ milde, sorgte aber erneut für unverhältnismäßig schlechte Presse gegen ein Management, das bis heute immer wieder durch ausgeprägte Rücksichtslosigkeit gegen die eigene Belegschaft auffällt.

Auf der Habenseite steht aber eindeutig die zumindest quantitative wirtschaftliche Entwicklung der Spirit. Zeitweise waren bis zu 90 Prozent der Flüge ausgebucht. War es zunächst das rasant gewachsene Streckennetz nebst Entwicklung der Passagierzahlen und dem entsprechenden Umsatz, folgte um 2005 eine radikale Änderung der Flottenpolitik.

Maintenance Base am Flughafen Detroit Wayne County. Bild: Ajay Suresh, CC

Anerkannter Branchen-Pionier im Billig-Segment

Spirit wurde von Boeing und Airbus inzwischen als „Prospect Client“ ernst genommen, konnte entsprechend auftreten und wählte schließlich Airbus als neuen „Hoflieferanten“ für nunmehr fabrikneue Flugzeuge. 2006 wurden die ersten von später 17 Airbus A319 ausgeliefert, bis 2010 lösten A320-200 die letzten MD-80 ab. Folgend der weiteren massiven Expansion ist die A320-Flotte inzwischen auf 64 Exemplare angewachsen.

[1] Zur Jahrtausendwende gab sich Spirit erneut ein neues Outfit. Alle 29 A319 waren wie alle Airbusse mit IAE-2500 Turbofans versehen und stehen gegenwärtig zum Verkauf. Bild: Konstantin v. Wedelstaedt

[2] A320-200ceo, Toulouse 2013. Bild: Laurent Herrera, CC

[3] A320-200ceo 2014. Bild: Timo Breidenstein

Hinzu gekommen sind seit 2016 bereits 84 A320neo. Weitere 37 sind bestellt, die auch die ursprünglichen A319 ablösen werden, die inzwischen zu klein geworden sind. Flaggschiffe der Flotte sind 30 A321-200 und die ersten acht von bis 2025 auszuliefernden 65 A321neo. Die gesamte Flotte ist heute mit einer jeweils achtsitzigen „Big Front-Class“ versehen, die wenigstens etwas größeren Sitzabstand bei insgesamt rekordverdächtig enger Bestuhlung vorsieht.

[1] 2014 führte Spirit die aktuelle gelb-schwarze Bemalung ein, wobei fraglich ist, wie lange die Flugzeuge in diesem auffälligen Auftritt noch zu sehen sein werden. Bild: Timo Breidenstein

[2] Central Hub Ft. Lauderdale (FLL), Florida. Bild: Timo Breidenstein

[3] A320-200ceo. Bild: Timo Breidenstein

[4] A321-200ceo, New York-La Guardia 2022. Adam Moreira, CC. Bild: Timo Breidenstein

[5] A321-200ceo 2017. Bild: Timo Breidenstein

Aus Gelb bald Blau?

Mit hoher Wahrscheinlichkeit allerdings wird sich das Thema noch 2024 erübrigen, denn mit höheren Flughafengebühren in großen Zielländern, dem Protest der Gewerkschaften und dem Schrumpfen des Preisvorteils der Billigflieger durch günstige Tickets der etablierten Fluglinien ist auch der Markt für Spirit Airlines mit dem Konzept für knausrige Kunden deutlich enger geworden. Die inzwischen verlustreiche Airline steht zum Verkauf an durch Jetblue Airlines aus New York. Hier setzt man erfolgreich auf eine Kombination von Low Cost und High Quality. Sollten Wettbewerbsbehörde und die FAA den Daumen heben, könnte die Fusion noch im ersten Quartal 2024 stattfinden. Allerdings zogen die Kartellwächter der Regierung gegen diesen Deal vor Gericht und bekamen zunächst einmal Recht. Auch muss sich noch erweisen, ob die Kundschaft von dieser Fusion profitieren kann. Für Jetblue scheint die Sache aber schon entschieden, denn etliche offizielle Statements werden bereits im Namen beider Carrier veröffentlicht. „ The Best of Both Sides“ heißt die Losung, und so wartet die Branche gespannt darauf, ob und wie sich die künftig fünftgrößte Airline der USA entwickeln wird.

[1] Bild: Timo Breidenstein

[2] A319-100, FLL 2016. Bild: Timo Breidenstein

[3] Bild: Timo Breidenstein

[4] Alle drei Airbus – Bemalungen 2014 in Fort Lauderdale. Bild: JTOchialinie, CC

[5] Schon 2024 vereint? Airbus A320 der Spirit und der JetBlue um 2014 in Fort Lauderdale. Bild: JTOchialinie, CC
Text: Fritz Gratenau
Titelbild: Timo Breidenstein

Zahlen, Daten, Fakten

Name: Spirit Airlines Corp.
Sitz: Miramar, Florida, USA
Basis/Hub: Fort Lauderdale (FLL)
Gründung: 1980
Mitarbeiter: Ca. 2.200
Passagiere: 38,5 Mio. (2022)
Umsatz/Ergebnis: 5 Mrd. Dollar / -599 Mio. Dollar
Streckennetz: Inland, Mittel-/Südamerika, Karibik
Flotte:
17 Airbus A319-100
64 Airbus A320-200
82 Airbus A320neo
30 Airbus A321-200
8 Airbus A321neo
Bestellt:
39 Airbus A320neo
60 Airbus A321neo
Internet: www.spirit.com

Stand: 12/2023