Neue Nutzfahrzeug-Ära?
DAF hat Großes vor, betont einen neuen Fahrkomfort, Qualität und verbesserte Wirtschaftlichkeit. Optisch ist den Niederländern gleichermaßen Großes gelungen. Die neuen Baureihen verfügen über die spürbar größten Kabinen in einem gelungenen Design am europäischen Markt!
Noch vor der ersten Probefahrt eines Kunden liegen 8.000 Bestellungen vor – Grund genug für die Fachwelt, um zu staunen. DAF setzt mit den neuen Baureihen XF, XG und XG+ als erster Nutzfahrzeughersteller die neuen Vorschriften der Europäischen Kommission um. Diese ermöglichen künftig mehr
Spielraum bei der Gestaltung von Fahrerhäusern. Optimiertes Strömungsverhalten, reduzierter Treibstoffverbrauch und eine insgesamt bessere Ökobilanz stehen im Fokus. Dies soll mit einer um 3° schräg stehenden Frontscheibe sowie um 20° verjüngende Seiten erreicht werden.
4 Zimmer, Küche, Bad – fast
Neben der Umwelt werden aber auch die Fahrer berücksichtigt, die, besonders im Fernverkehr, mehr und mehr Zeit im Lkw verbringen. Die deutlich größeren Kabinen bieten einen komfortableren Arbeitsplatz – ein wichtiger Pluspunkt beim Fahrermangel. Dieses üppige Raumangebot wird für drehbare Sitze, größere Staufächer, einen ausziehbaren Tisch sowie ein 2,22 m langes Bett mit einer fast durchgängigen Breite von 80 cm genutzt. Rekordmaße am Markt.
Richtig gemütlich wird für den Fahrer auf der dicken Topper-Matratze im mehrfach elektrisch verstellbaren Relax-Bett. Der XG verfügt über eine Stehhöhe zwischen 1,98 und 2,10 m, der XG+ sogar 2,22 m. Annähernd genug Platz für Dehnungsübungen vor Fahrtantritt. Damit weiterhin ein Auflieger hinter die gewachsenen Kabinen passt, wächst der Radstand im Maximalfall von 3,60 m auf glatte 4,00 m.
Optimale Sicht in alle Richtungen
Optional verbaut DAF ein spiegelloses Kamerasystem, dessen Bilder auf großen Bildschirmen an beiden A-Säulen wiedergeben werden. Für ein weiteres Kreuz auf der Bestellliste werden Rampen- und Frontscheibenspiegel ebenfalls durch eine zusätzliche Kamera und einen Monitor im Panoramaformat oberhalb des rechten Displays ergänzt. In der Praxis schlägt sich das System sehr gut. Das hochauflösende Bild schwenkt bei Kurvenfahrt
mit, lässt sich alternativ manuell nachjustieren und zeigt im Gegensatz zu anderen Systemen keine hellen Blitzer bei Gegenverkehr mit LED-Scheinwerfern. Auf Wunsch kehrt ein Klassiker in die Kabine zurück: Ein zusätzliches, tiefliegendes Seitenfenster in der rechten Tür schützt Passanten aktiv. Es ist doppelwandig ausgeführt, die heruntergelassene Seitenscheibe gleitet dazwischen.
Das Kamerasystem ersetzt den Außenspiegel.
Lebhaft und leise
Durch die effiziente Aerodynamik mit Kameras sollen die neuen Fahrzeuge bis zu 6 % Kraftstoff sparen und deutlich weniger Windgeräusche erzeugen. Neue Bauteile und reduzierte Gewichte der Motoren sparen weitere 3 % Diesel, insgesamt beziffert DAF das Potenzial auf beachtliche 10 %. Für Vortrieb sorgen die überarbeiteten Motoren MX11 mit 10,8 l und MX13 mit 12,9 l Hubraum von Paccar. Im Vergleich zur vorherigen Baureihe steigt das Drehmoment bei allen Motoren, auch wenn die gleichbleibenden PS-
Angaben nicht darauf hindeuten. Bei 530 PS ist Schluss. Bisher ist ein etwas zähes Fahrgefühl ein häufiger Kritikpunkt, der somit der Vergangenheit angehört. Das serienmäßige Automatikgetriebe von Traxon lässt den Motor etwas höher drehen und schaltet etwas lebhafter. Manuelle Getriebe sind nicht mehr lieferbar. Das neue Fahrgefühl geht mit angenehmer Ruhe einher – leiser ist noch kein dieselbetriebener Lkw. Alternative Antriebe sind für die Neulinge geplant, allerdings noch nicht verfügbar. Aktuell liegt der Fokus auf Biokraftstoff.
Ausbaufähige Assistenzsysteme
Die Assistenzsysteme bewegen sich zur Markteinführung im Mittelfeld. Ein akustischer Spurwarner ist vorhanden. Leider verzichtet DAF auf ein Lenksystem mit elektrischem Eingriff. Somit ist kein teilautonomes Fahren möglich. Ein Stauwarner einschl. Bremsassistent sorgt für
Sicherheit, der vorausschauende und selbsttätig beschleunigende Stauassistent fehlt hingegen. Gleiches gilt für einen Spurhalteassistenten. DAF hat angekündigt, diese Lücken zeitnah zu schließen. Positiv wirkt sich das serienmäßige LED-Licht aus.
Der Unterschied ist sichtbar: Das zusätzliche Seitenfenster bietet zusätzlich Sicherheit.
Komfortabler Vorsprung für Jahre
Ohne Zweifel bekommt man diese Entwicklung nicht umsonst. Die Summe der Neuerungen rechtfertigt den Preisanstieg, selbst wenn er drastisch ausfällt. DAF begründet mit den neuen Fahrzeugen und riesigen Kabinen eine in Europa bislang nicht gekannte Nutzfahrzeugliga, vielleicht vergleichbar mit der Abkehr von den Hauben-Lkw in den 1950er-Jahren. Ein technischer Vorsprung, der in den kommenden Jahren nicht zu nehmen ist und die Weichen neu stellen könnte. Es drängt sich die
Frage auf, wieso Marktbegleiter mit Stern, Löwe oder Rhombus die neu geschaffenen Möglichkeiten der EU für die Fahrzeuggestaltung vollständig außer Acht lassen und bei den nicht lang zurückliegenden Facelifts lediglich kleine Auffrischungen ihrer Modelle vorgenommen haben. DAF wird es recht sein, denn vorab prall gefüllte Auftragsbücher deuten darauf hin, dass DAF eine große Chance ergriffen und die Belange der Spediteure besser eingeschätzt hat als andere Hersteller.