„Luftbahnhof“ Anno 1929


Das Thema „Luftfahrt“ in eine Modellbahnanlage zu integrieren, ist schwierig. Selbst das mit reichlich Platz gesegnete Miniatur Wunderland in Hamburg schafft es nur begrenzt, einen modernen Flughafen darzustellen. Einen Ausweg bieten die Anfänge der Verkehrsfliegerei, als die gängigen Flugzeugtypen kaum größer sind als heutige Sportflugzeuge. Dafür bietet Herpa mit der Junkers F 13 die richtige Maschine.

Bereits in den 1990er-Jahren präsentiert die Firma Roskopf das H0-Modell der Junkers F 13. Als erstes Ganzmetallpassagierflugzeug mit geschlossener Kabine hat deren Vorbild in den 1920er-Jahren für einen regelrechten „Luftfahrtboom“ gesorgt. Passend dazu bringt Roskopf damals einen Tank-Lkw auf Basis des Mercedes L5 auf den Markt, und Preiser offeriert zur F 13 passende Piloten und Passagiere. Leider fehlt Christoph Kutter damals die Anlage, so dass das Vorhaben auf Eis landet. Wieder aktuell wird für ihn das Thema, als Herpa vor einigen Jahren ebenfalls eine F 13 in 1:87 vorstellt. Die kleine Veteranin erscheint zunächst als Maschinen der Fluggesellschaften Luft Hansa und Danziger Flugpost. Letztere ist Ende der 1920er-Jahre zwar schon wieder vom deutschen Himmel verschwunden, doch wirkt die F 13 mit den rot/weißen Markierungen der damaligen Freien Stadt Danzig besonders schmuck. Inzwischen hat Herpa eine weitere Maschine der Luft Hansa sowie je eine polnische, Schweizer und österreichische F 13 ins Sortiment genommen. Hinzu kommen noch eine US-Werbeversion sowie die Neubauvariante von 2016 mit Sternmotor.

Die Idee zum Modell

Die Flugplatzanlage ist für Ausstellungen vorgesehen und deshalb mit Außenmaßen von 142×70 cm kompakt gehalten. Betrieblich notwendig ist ein anschraubbarer Schattenbahnhof von 110 cm Länge und 25 cm Tiefe. Dargestellt ist ein „Luftbahnhof“ – die Bezeichnung ist zeitgenössisch – im November 1929. Er besteht aus einem kombinierten Bahnhofs- und Abfertigungs-/Ankunftsgebäude, einem Hangar, einem Tanklager für Flugbenzin sowie einem hölzernen Scheinwerferturm. Die Reichsbahn versorgt das Tanklager mit Sprit, unterhält einen Pendelverkehr mit Triebwagen zum Hauptbahnhof der nahegelegenen Stadt und liefert zudem die Kohlen zum Heizen des Hauptgebäudes. Damit ist ein Betrieb mit drei Zügen möglich, der manuell, aber auch automatisch erfolgen kann.

Ein Vorbild hat das Ganze keines. Flugplätze liegen in den 1920er-Jahren am Rand der Städte oder in deren Nähe und sind durch Straßen angebunden. Ein Bahnanschluss dürfte sich angesichts der geringen Fluggastzahlen schlichtweg nicht gelohnt haben. Zudem ist Fliegen eine solch exklusive Art zu reisen, dass die Passagiere kaum mit dem schnöden Zug, sondern eher mit dem eigenen Automobil oder zumindest dem Taxi angefahren kommen. Das Zusammenspiel von Schienen- und Luftverkehr ist eine moderne Entwicklung.

Modernste Architektur

Das dominante Gebäude ist der Ankunfts- und Abfertigungskomplex auf der linken Anlagenseite. Er ist im für die späten 1920er-Jahre hochmodernen Bauhaus-Stil entworfen und orientiert sich an unterschiedlichen Vorbildern. Entstanden ist das Bauwerk aus Hartschaumplatten (Forex) von zehn und fünf Millimetern Stärke sowie aus zwei Bausätzen „Stellwerk Ahlhorn“ von Faller (120101). Dessen Vorbild entsteht Anfang der 1930er-Jahre ebenfalls im Stil der „neuen Sachlichkeit“ und setzt mit seiner dunklen Klinkerverkleidung einen schönen Kontrast zu den glatten Forex-Wänden. Auch sämtliche Fenstereinsätze stammen aus diesem interessanten Faller-Bausatz.

Heute undenkbar, bis in die späten 1960er-Jahre hinein aber typisch für Flughafengebäude, ist die große Besucherterrasse. Flugzeugfans können von hier aus nächster Nähe dem Treiben auf dem Rollfeld zusehen oder angehörigen Abreisenden nachwinken. Vage kann sich Christoph Kutter noch an die Besucherterrasse in München-Riem erinnern, aber gut daran, wie enttäuscht er war, als diese etwa 1970 wegen der damals hohen Terrorgefahr geschlossen wurde. Unterhalb der Besucherterrasse liegt in dem viertelkreisförmigen Gebäudeteil das Flughafenrestaurant, dahinter und darunter befinden sich die Räume für Zoll, Pass- und Flugscheinkontrolle sowie der Wartesaal. Alles im Vergleich zu heute geradezu mikroskopisch klein.

Kein Flug ohne Bahn

Gleiches gilt für den Bahnhof, der den hinteren Teil des Bauwerks einnimmt. Der kurze Bahnsteig davor reicht für einen Trieb- oder zwei Personenwagen, mehr ist nicht nötig. Sein Dach stammt von Vollmer, der Bahnsteig selbst ist eine Forex-Platte, die mit eingeritzter Pflasterung versehen und bemalt wird. Während das hintere der beiden Gleise dem Personenverkehr mit Triebwagen (Wendezüge waren 1929 noch Zukunftsmusik) vorbehalten ist, dient das vordere als Ausziehgleis zur Bedienung des Tanklagers sowie zur Versorgung des Abfertigungsgebäudes mit Heizkohle. Dafür ist zwischen den parallelen Stumpfgleisen ein offener Tiefbunker vorhanden, der aus Selbstentladewagen versorgt wird. Der Heizkeller befindet sich gedachterweise unter dem Bahnhofsteil, erkennbar am Schornsteinpaar darüber.

Als dritter für den Flugbetrieb wichtiger Komplex liegt das Tanklager etwas abseits im hinteren rechten Anlagenteil. Es besteht aus zwei genieteten Tanks für Flugbenzin von jeweils 45 Kubikmetern Fassungsvermögen, die von Brawa-Lenkachs-Kesselwagen stammen. Sie sind durch Rohrleitungen von Walthers (Vertrieb Faller) verbunden. Das Pumpenhäuschen entsteht aus Mauerteilen, die beim Bau des Hangars übriggeblieben sind. Der überaus filigrane Maschendrahtzaun mitsamt Tor findet sich im Sortiment der Firma Modellbau-Kaufhaus.

Mit Treibstoff versorgt werden die Flugzeuge hier eher aufwändig durch einen Tanklaster. In der Realität genügt damals dafür meist ein handgezogener Tankwagen mit Elektro- oder Handpumpe. In den Laster (der erwähnte Mercedes L 5 von Roskopf) gelangt das Benzin über einen schwenkbaren Kranarm, der unterhalb des Tanklagers an der Stützmauer angebracht ist.

Die Garage für die Flugzeuge

Ziemlich voluminös, dennoch deutlich kleiner als das Hauptgebäude, ist der Hangar in der Anlagenmitte. In ihm können zwei Junkers F 13-Maschinen gleichzeitig gewartet werden. Realistisch ist dies zwar nicht – Flugplätze der 1920er-Jahre sind bereits mit wesentlich größeren und zahlreicheren Unterstellmöglichkeiten ausgestattet –, doch lässt das Anlagenkonzept keine weiteren Hallen zu. Entstanden ist der Hangar aus zwei Bausätzen „Umformerwerk“ von Auhagen (11 458), die bis auf die Inneneinrichtung fast vollständig „verkitbasht“ werden. Seine Gestaltung lehnt sich an reale Bauwerke der 1920er-Jahre an. Weil durch die offenen Schiebetüren das Innere gut sichtbar ist, wird der Hangar mit Werkbänken, Werkzeugschränken, Regalen und allerlei Gerät ausgestattet. Zwei Lokschuppen-Öfen von Weinert stehen bereit, um im Winter zumindest für etwas Wärme zu sorgen. Beleuchtet wird das Ganze stilecht mit Glühbirnchen-Lampen von Beli-Beco, denn Leuchtstoffröhren sind 1929 noch nicht üblich.

Der Betonplattenboden im Hangar besteht ebenso wie die Plattenstraßen davor und an der Tankanlage aus zwei Millimeter starker Trittschalldämmung für Parkettböden. Diesem sehr preiswerten Material aus dem Baumarkt werden mit dem Bastelmesser Fugen eingeritzt und dann mit Heki-Betonfarbe gestrichen, leicht gealtert und weiß graniert. Für die Beleuchtung des Areals sorgen Lampen von Brawa.

Rollfeld und Startbahn

Als weitere Einrichtungen zu nennen sind die Zufahrt, die sich neben dem Abfertigungsgebäude befindet, der Holzturm mit den Scheinwerfern sowie der obligatorische Windsack. Er zeigt den Piloten, in welcher Richtung sie starten und landen müssen. Flugplätze der Vorkriegszeit besitzen keine befestigten Start- und Landebahnen. Das Flugfeld besteht aus einer kreisrunden festgewalzten Grasfläche von einigen hundert Metern Durchmesser. Die Richtung in welche abzuheben beziehungsweise einzuschweben ist, bestimmte der Wind. Weil sich das Flugfeld gedachterweise vor der Anlage befindet, ist es nur durch einen Grasstreifen angedeutet. Dieser Streifen wird mithilfe des Noch-Grasmasters elektrostatisch mit Zwei-Millimeter-Fasern der mittlerweile eingestellten Firma Modellbaum-Manufaktur Grünig in Beige und Herbstgrün beflockt. Im hinteren Bereich werden längere Fasern verwendet. Auch die Bäume, vor allem die erstklassig gelungene nur noch sparsam belaubte Birke zwischen Hangar und Tanklager, sind filigrane Handarbeitsmodelle von Grünig. Für den richtigen Schnitt des Grases auf dem Rollfeld sorgen zur damaligen Zeit die Schafe benachbarter Bauern. Eine über hundertköpfige Herde, alle aus Preiser-Zucht, grast im rechten Anlagenabschnitt, überwacht von Hirte und Hund.

Die restliche Gestaltung

Nachtflüge sind damals zwar nicht häufig, finden aber regelmäßig statt, vor allem für Fracht und Luftpost. Unterwegs orientieren sich die Piloten an einem System von Leuchtfeuern, zur Landung erhellen Scheinwerfer das Flugplatzareal. Mangels Modellen sind zwei davon in Eigenbau entstanden und in einem ausgeschnittenen Aussichtsturm von Busch untergebracht. Die Straßenzufahrt des Flughafens führt unter den Gleisen durch in den Hintergrund, wo sie sich auf der Kulisse fortsetzt. Selbstredend kann auch in den 1920ern nicht jeder ohne weiteres auf das Flugfeld gelangen, doch genügt zur Kontrolle ein Schlagbaum mit Postenhäuschen (Auhagen). Gleich anschließend ist im Erdgeschoss des Abfertigungsgebäudes das Lager für Luftfracht untergebracht. Zwei Lkw (Märklin) und ein Lieferwagen (Busch) parken davor, alle nach zeitgenössischen Originalen gestaltet. Auch einer der Fluggäste hat seinen Wagen dort abgestellt, einen luxuriösen Mercedes SSK. Fliegen ist vor gut 90 Jahren eine sehr exklusive Form des Reisens!

Modellbau, Text und Bilder: Christoph Kutter

Verwendete Materialien

Auhagen: Postenhäuschen und Umformerwerk www.auhagen.de
Baumarkt: Tischlerplatte für den Rahmen, Sperrholz für Deckplatte und Bahntrassen sowie Hartschaumplatten und Gips
Brawa: Kerosintanks aus Kesselwagen www.brawa.de
Busch: Aussichtsturm, Lieferwagen www.busch-model.info
Eigenkonstruktion: Bahnhofs- und Flughafengebäude aus Forex-Platten mit Faller-Teilen
Faller: Stellwerk www.faller.de
Märklin: Gleismaterial, Lkw www.maerklin.de
Modellbau-Kaufhaus: Maschendrahtzaun www.modellbau-kaufhaus.de
Noch: Grasfläche www.noch.de
Roskopf: Tankwagen www.www.roskopf-modelle.info

Bis auf das Postenhäuschen und den Aussichtsturm sind alle Basisbausätze für Kitbash-Umbauten verwendet worden. Das Diorama hat eine Größe von 142×70 cm plus anschraubbarem Fiddle Yard, 110×25 cm.