Kurzstrecke mit Hindernissen


Im September treffen sich im Emdener Hafen vier MAN TGX 41.640 der Spedition Baumann für einen gewaltigen Schwertransport zum Umspannwerk Emden Ost. Die Strecke ist zwar nur wenige Kilometer lang, hat es aber mit zwei Brücken und zwei scharfen Abzweigungen in sich. Jens Hadel hat für uns diesen spektakulären Schwertransport begleitet.

Bereits eine Woche zuvor gab es die identische Ladung mit drei MAN TGX 41.640 und einem Mercedes Actros SLT 4160. Ein außergewöhnlicher Transport, und ärgerlich für alle, die ihn verpasst hatten, um tolle Fotos zu machen. Zwischen den beiden Transporten wird der zweite große Transformator an einer Kaimauer nahe der Jarssumer Straße in Emden vom Schiff in eine grüne Kesselbrücke verladen. Grün? Genau, da der Baumann-Fuhrpark für das Transportgewicht des Trafos von 416 Tonnen über keine passende Scherenhub-Kesselbrücke verfügt, wird ein 500-Tonnen-Exemplar aus dem Hause Greiner vom französischen Kollegen Scales ausgeliehen. Zusammen mit den roten Achslinien von Baumann dürfte dieser Anblick eine echte Rarität bleiben.

Bei dem Rangiermanöver gilt es, die exakte Position zu finden.

Der Konvoi kann starten

Am ersten Samstag im September 2022 ist es dann soweit: Das lange Gespann, bestehend aus einem MAN TGX 41.640, der Scales-Scherenhub-Kesselbrücke auf zwei 18-achsigen Fahrwerken und einem weiteren MAN TGX 41.640 als Schubfahrzeug stehen bereit. Pünktlich um 22:00 Uhr machen sich einige Sprinter mit der Aufschrift „Hilfspolizei“ auf den Weg und sperren den ersten Streckenabschnitt für andere Verkehrsteilnehmer. In Emden hat sich der Einsatz der privaten Begleiter von Sondertransporten bewährt, denn wochentags starten fast täglich große Teile für Windenergieanlagen zu Baustellen in ganz Europa. Auf dem ersten Teilstück der Strecke gibt es genug Platz auf und neben der zweispurigen Straße. Mit Schrittgeschwindigkeit bewegen sich die beiden Schwerlast-MAN mit drei angetriebenen Achsen von Toni Maurer mitsamt dem Trafo zur ersten Brücke. Das Vorauskommando hat schon die großen Lichtschirme eingeschaltet, da hier wichtige Vorbereitungen für die Weiterfahrt erfolgen müssen.

Last besser verteilen

Um die Last auf zusätzliche Achsen zu verteilen, wird ein fünfachsiger Selbstfahrer, der mit Antirutschmatten ausgelegt ist, unter den Transformator rangiert. Hier gilt es die exakte Position zu finden, um eine gleichmäßige Gewichtsverteilung zu gewährleisten. Bevor die Reise fortgesetzt wird, schlägt das Team von Baumann auf beiden Seiten noch jeweils zwei Hochleistungsrundschlingen als Sicherung zwischen Selbstfahrer und dem Rahmen der Scherenhub-Kesselbrücke an. Diese Verbindung soll im Notfall dafür sorgen, dass der Trafo nicht plötzlich frei in der Luft hängt. Klingt im ersten Moment unlogisch, denn der Fünfachser könnte dem Transport bei langsamer Fahrt garantiert sicher folgen. Hier haben vermutlich die Statiker aus Emden Bedenken angemeldet. Wie würden sich die Brücke bzw. deren Landpunkte verhalten, wenn es zwischen Zug- und Schubmaschine eine minimale Geschwindigkeitsdifferenz gibt und sich zwischen den beiden 18-Achsern eine ungewollte Spannung aufbaut? Mehrere hundert Tonnen, die seitlich auf die Widerlager wirken, für die diese nicht ausgelegt sind, können gewaltige Schäden anrichten. Doch auch für dieses Problem haben die Kollegen von Baumann eine Lösung parat. So unlogisch es klingt, wird die Antriebskraft der beiden 8x6-Boliden hier nicht benötigt und die Getriebe werden in den Freilauf geschaltet. Nur mit der Kraft der Scheuerle-Achslinien wird die Brücke über den Borssumer Kanal überquert. Dies bemerken allerdings nur die wenigsten der anwesenden Schaulustigen. Direkt dahinter konnte der Fahrer des Fünfachsers die Last wieder freigeben und seitlich auf die Parkstelle abbiegen. Derweil stand das Zugfahrzeug schon am Kreuzungsbereich zur Petkumer Straße.

Doch auch für dieses Problem haben die Kollegen von Baumann eine Lösung parat. So unlogisch es klingt, wird die Antriebskraft der beiden 8x6-Boliden hier nicht benötigt und die Getriebe werden in den Freilauf geschaltet. Nur mit der Kraft der Scheuerle-Achslinien wird die Brücke über den Borssumer Kanal überquert. Dies bemerken allerdings nur die wenigsten der anwesenden Schaulustigen. Direkt dahinter konnte der Fahrer des Fünfachsers die Last wieder freigeben und seitlich auf die Parkstelle abbiegen. Derweil stand das Zugfahrzeug schon am Kreuzungsbereich zur Petkumer Straße.

Der fünfachsige Selbstfahrer mit Rutschmatten wird unter den Transformator rangiert.

Schutz auch für die Straße

Schon in den späten Nachmittagsstunden hat das Begleitkommando auf der Hauptstraße sämtliche Gullideckel und Schwachstellen großzügig mit Stahlplatten abgedeckt. Für den Schwertransport ist dies notwendig, um keine Schäden zu verursachen. Die Anwohner sind allerdings von den Schutzmaßnahmen reichlich genervt, denn Pkw, die über die vielen Abdeckungen der Hauptverkehrsstraße fahren, schaffen ein lautstarkes Konzert im Industrial-Stil. Scheinbar begeistert gerade dies viele PS-Poser der Stadt. Nach einer kurzen Kontrolle wird die Reise fortgesetzt. Den weitläufigen Innenbereich ohne Hindernisse kann der Trafo einfach überfliegen, während die beiden 18-Achser auf die vierspurige Straße einbiegen. Der 93 Meter lange Baumann-Konvoi ist wesentlich leiser, denn bei Schrittgeschwindigkeit werden die Kanten der Bleche langsam auf den Asphalt gedrückt. Insgesamt haben sich die Anwohner an die vielen Schwerlaster in Emden gewöhnt, so dass nur sehr wenige Schaulustige vor die Haustür gelockt werden.

Metallplatten sollen die Straße schützen. Das Rollgeräusch des normalen Verkehrs über diese Platten nervt allerdings viele Anwohner, da PS-Pose gern oft über diese Platten fahren.

Alles Routine

Nach 650 Metern biegt das Gespann in ein Wohngebiet ein. Da das Umspannwerk Emden Ost die zentrale Konverterstation des Gleichstroms vom Windpark Borkum Riffgrund West sowie weiteren kommenden Windparks sein wird, ist der Kreuzungsbereich Wykhoffweg großzügig bemessen. Immer wenn neue Offshore-Windräder angeschlossen werden, muss das Umspannwerk aufgestockt werden. Trotzdem ist auch hier volle Aufmerksamkeit gefordert, um nirgends ungewollten Kontakt mit Hindernissen zu bekommen. Nur gute hundert Meter weiter verjüngt sich die Zufahrt auf eine normale zweispurige Straße, die wenig später an einer geschwungenen Brücke endet. Diese wird schon zuvor mit Hohlkammerplatten überbaut und für den Durchgangsverkehr gesperrt. Außerdem werden dort zwei weitere Zugmaschinen abgestellt. Das Führungsfahrzeug ist ein klassischer MAN TGX 41.640 8x4. Mit einer 20 Meter langen Textilrundschlinge wird ein Maurer TGX 41.640 8x6 „angekuppelt“, als der Schwertransport von hinten herangefahren kommt. Zügig wird mit einer stabilen Schleppstange die Verbindung hergestellt. Außerdem wird das Schubfahrzeug umgedreht und mit der Heckkupplung wieder an den zweiten 18-Achser gekuppelt. Als von der Deutschen Bahn die Bestätigung für die Stromlosschaltung der Oberleitung direkt hinter der Brücke vorliegt, kann der Bahnübergang samt Schienen mit Stahlplatten ausgelegt werden.

Der Konvoi erreicht die Brücke. Zum Schutz wird sie mit Hohlkammerplatten überbaut.

Außerdem werden dort zwei weitere Zugmaschinen abgestellt. Das Führungsfahrzeug ist ein klassischer MAN TGX 41.640 8x4. Mit einer 20 Meter langen Textilrundschlinge wird ein Maurer TGX 41.640 8x6 „angekuppelt“, als der Schwertransport von hinten herangefahren kommt. Zügig wird mit einer stabilen Schleppstange die Verbindung hergestellt. Außerdem wird das Schubfahrzeug umgedreht und mit der Heckkupplung wieder an den zweiten 18-Achser gekuppelt. Als von der Deutschen Bahn die Bestätigung für die Stromlosschaltung der Oberleitung direkt hinter der Brücke vorliegt, kann der Bahnübergang samt Schienen mit Stahlplatten ausgelegt werden.

Bei Kurvenfahrten „überfliegt“ die schwere Last viele Hindernisse.

Die letzte Hürde

Zeit, die Motoren zu starten. Ganz langsam fährt der erste Vierachser die Steigung der Brücke hinauf. Im Abstand der stabilen Textilschlaufe folgt der erste Maurer-TGX. Das Tempo liegt weit unter Schrittgeschwindigkeit, denn die folgende Belastung für die Brücke ist bei dieser Überfahrt immens. Nur wenig später ist der zweite 8x6 von der Seite erkennbar, der die große Tragschnabelbrücke zieht. Als der große Trafo den Scheitelpunkt erreicht hat, ist das Führungsfahrzeug schon nicht mehr sichtbar. Kein Wunder bei einer geschätzten Gesamtzuglänge von über 120 Metern zu diesem Zeitpunkt. Wer geduldig genug ist, kann auch den letzten 8x6-TGX erkennen, der in Rückwärtsfahrt die Brücke hinaufgezogen wird. Aber warum nicht in normaler Fahrtrichtung? Da allein der Transformator samt Transporteinheit auf rund 600 Tonnen kommt, ist dies bedeutend zu viel für die Registerkupplung an der Front des letzten Vierachsers. Sollte wirklich eine Notlage eintreten und alles sicher zum Stehen kommen müssen, wäre die normale Kupplung an der Front komplett überlastet. Mit der großen 1.000-Tonnen-Kupplung von Rockinger am Heck der Maurer TGX 41.640 ist dies kein Problem.

Auch der Bahnübergang wird mit Stahlplatten geschützt.

Dem Ziel ganz nah

Bei der Überfahrt wird die Sicherung nicht beansprucht, und auch bei der Querung der Bahntrasse verläuft alles nach Plan. Die zusätzlichen zwei Zugmaschinen werden wieder aus dem Dienst entlassen und die Schubmaschine in Fahrtrichtung angekuppelt. 300 Meter weiter ist der Parkplatz für die Nacht erreicht. Die Einfahrt in das Umspannwerk und Entladung erfolgen am Sonntag bei Tageslicht.

Weitere Zugmaschinen warten, um den Konvoi zu unterstützen und werden zum Teil zusammengekuppelt.
Text und Bilder: Jens Hadel

Zahlen, Daten, Fakten

Trafo

  • 13,952 Meter lang, 6,7 Meter breit und 4,995 Meter hoch
  • 416 Tonnen (Transportgewicht)
  • Einsatzgewicht mit Öl und Kühler (nach Installation) 580 Tonnen

Scherenhub-Kesselbrücke

  • Im September 2013 am Tag der offenen Tür von Greiner erstmals präsentiert
  • Ausgeliehen von Scales aus Frankreich
  • Maximale Traglast: 500 Tonnen
  • 2 x 18-achsige Anhänger (viele andere Achskonfigurationen sind möglich)

Zugmaschinen

  • 1 x MAN TGX 41.640 8x4/4 (Werksausführung MAN)
  • 3 x MAN TGX 41.640 Toni Maurer Umbau auf 8x6/4 mit gekröpftem Rahmen (190 mm) 1.000 Tonnen Kupplung am Heck Radstand zwischen erster und zweiter Achse um 250 mm verlängert
  • Das werksseitige Motordrehmoment von 3000 Nm wird durch die Wandler-Schaltkupplung mit bis zu Faktor 1,58 nutzbar
  • Ein Drittel des maximal verfügbaren Drehmoments von 4.740 Nm kann per Zuschaltung durch den Fahrer an die Vorderachse gehen
Erlaubte Gesamtzuggewichte der Toni Maurer TGX
  • 500 Tonnen mit einem ziehenden Fahrzeug
  • 750 Tonnen mit zwei ziehenden Fahrzeugen oder einem ziehenden und einem schiebenden Fahrzeug
  • 1.000 Tonnen mit zwei ziehenden und einem schiebenden Fahrzeug

Strecke

  •  Gesamtstrecke ca. 5 km
  • Zwei Brücken mit unterschiedlichen technischen Anforderungen
  • Zwei 90 Grad-Kurven plus Einfahrt ins Umspannwerk