Faszination Fliegen auf koreanische
Art
Das neue nationale Luftfahrtmuseum Koreas am Flughafen Gimpo in Seoul ist inhaltlich und architektonisch ein Schmuckstück. Der gläserne Prachtbau, einer Turbine nachempfunden, gibt fundierte Einblicke in die Luftfahrtgeschichte mit einem besonderen Fokus auf Korea, was im Westen kaum bekannt ist.
Neu eröffnete Luftfahrtmuseen sind etwas extrem Seltenes, überall auf der Welt. Meist sind es ältere Privatsammlungen, die von ein paar eisernen Freiwilligen und durch Spenden am Leben erhalten werden. Oder es sind große Einrichtungen, die eine lange Tradition und Verankerung haben und entsprechende Mittel. In Südkorea war das anders, hier öffnete am 5. Juli 2020 während der Pandemie am Stadtflughafen von Seoul ein nagelneues Haus, das nationale Luftfahrtmuseum Südkoreas. Bauherr und Betreiber ist die Regierung in Form des Land-, Infrastruktur- und Verkehrsministeriums, und das sieht man. Das neu errichtete Gebäude mit über 18.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche sieht spektakulär aus – mit viel Glas, Metall und inklusive einer Dachterrasse mit Ausblicken auf den unmittelbar benachbarten Flughafen Gimpo.
Die Idee ist, gerade junge Menschen für die Luftfahrt und ihre Berufe zu begeistern. Korea hat kaum Rohstoffe und konzentriert sich daher ganz auf sein kreatives Potenzial in allen Bereichen. Gleichzeitig weist das immer noch geteilte Land eine ungeahnt reiche und lange zurückreichende eigene Geschichte in der Luftfahrt auf, an die das Museum erinnern will. „Südkorea ist heute ein Kraftzentrum der globalen Luftfahrt, und das nationale Luftfahrtmuseum will eines der führenden Museen in diesem Bereich sein“, sagt sein Präsident Tae-hyun Ahn. Das Gebäude ist in drei Bereiche aufgeteilt: Das hohe gläserne Atrium mit Originalflugzeugen und Tageslicht heißt „Air Turbine“. Im zweiten Bereich „Air Show“ wird die Geschichte beschrieben, unter anderem mit einer riesigen Glasvitrine, in der maßstabsgerechte Modelle die Evolution der Flugzeuge illustrieren. Und es gibt den „Air Walk“, ein sich nach oben windender, stufenloser Aufgang, der neue Ausblicke auf die Exponate erlaubt und die Galerien in den oberen Stockwerken ebenso erschließt wie den Aufgang zur Dachterrasse.
Das erst 2020 eröffnete koreanische Luftfahrtmuseum liegt in unmittelbarer Nähe zum Stadtflughafen Seoul-Gimpo. Mit seinen 18.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche auf drei Etagen plus Dachterrasse dürfte es zu einem der größten reinen Luftfahrtmuseen der Welt gehören.
Frühe Luftfahrtgeschichte in Korea
Im 15. und 16. Jahrhundert dominierte in der westlichen Welt der Italiener Leonardo da Vinci die frühen Bestrebungen, Vögeln ihre Flugtechniken abzuschauen und Flugapparate für Menschen zu entwerfen, die sich daran anlehnten. Doch schon 1592 gab es auch in Korea einen Entwurf, den Bigeo, einen Flugwagen, der während der japanischen Invasion Koreas Nachrichten aus einem vom Feind umzingelten Fort herausbringen sollte – auf dem Luftweg. Er sollte zwei Menschen bis zu zwölf Kilometer weit durch die Luft befördern können. Fliegen war nicht mehr nur eine Fantasie für die Menschen, sondern sie beschäftigten sich bereits mit möglichen Technologien. Nach dem ersten Flug der Brüder Wright 1903 – Korea war von Japan besetzt – startete ein japanischer Offizier 1913 zum ersten dokumentierten Flug auf der koreanischen Halbinsel. Aber auch die europäischen Flugpioniere, wie Otto Lilienthal, werden in dem Museum ausführlich und durch kostbare Originaldokumente gewürdigt. Auch hier zeigt sich der fundierte Ansatz der Sammlung. Aus den Anfängen der koreanischen Luftfahrt ist etwa der Nachbau eines Trainingsflugzeuges des französischen Typs Caudron G.3 ausgestellt, das im Original bereits 1922 in Korea flog.
Korea selbst hat eine bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Luftfahrtgeschichte, die im Westen kaum bekannt ist und im Museum dokumentiert wird. Ein echter Hingucker ist die große Glasvitrine mit maßstabsgerechten Modellen wichtiger Flugzeuge der Geschichte, etwa der Flugboote Dornier Do-X oder der Boeing 314 und des Stratocruisers.
Beginn und Blüte der zivilen Luftfahrt in Korea
Schon nach Ende des Zweiten Weltkriegs und vor dem folgenden Koreakrieg (1950-1953) gab es erste Gründungen ziviler Fluggesellschaften. Im Februar 1946 startete die private Korean International Airlines, die 1948 in Korean National Airlines (KNA) umbenannt wurde. Während des Koreakriegs wurde ihre Flotte zerstört, danach wieder aufgebaut, doch nach dem Tod ihres Chefs 1961 verschwand sie. Stattdessen ging 1962 die erste Korean Air Lines (KAL) als staatliche Gesellschaft neu an den Start. Ab 1964 wurden nationale und internationale Flüge ab dem neuen Flughafen Gimpo bei Seoul betrieben, dem Standort des heutigen Museums. 1969 übernahm die private Hanjin-Gruppe die Geschäfte und investierte kräftig, obwohl damals ein Mangel an Passagiernachfrage herrschte. 1972 begann auf der Route Seoul-Tokio-Honolulu-Los Angeles die erste direkte USA-Verbindung. Im Mai 1973 erhielt Korean Air ihre erste Boeing 747, mit einem Kredit bei Boeing gekauft. Sie wurde auf Pazifikstrecken eingesetzt. Erst 1988 wurde mit der privaten Asiana eine zweite koreanische Airline gegründet (derzeit läuft die Fusion von Asiana mit Korean Air). Nach der Fußball-WM in Japan und Korea 2002 stieg die Passagiernachfrage von und nach Korea massiv an. ln der Folge gründete sich ab 2005 eine Vielzahl an koreanischen Billigfliegern. Derzeit gibt es in Südkorea nicht weniger als zehn Low-Cost-Airlines, die verschiedene Zielgebiete abdecken, manche vorwiegend im Inland, andere regional in Asien und weitere auf Langstrecken.
In einer begehbaren beleuchteten Galerie werden in einem raumfüllenden Regal wichtige Artefakte aus dem Museumsdepot attraktiv präsentiert. Mancher Flugzeugfan erträumt sich sicher eine solche Ausstellung im eigenen Heim. Hier genau hinzuschauen lohnt sich, es gibt Spannendes zu entdecken, von der leuchtorangefarbenen Aeroflot-Uniform bis zu Jumbo-Spielzeug und Flugtaschen aus den 1970er Jahren.
Besondere Exponate im koreanischen Luftfahrtmuseum
Eines der auffälligsten Ausstellungsstücke, und auf jeden Fall das ausladenste, ist eine knapp zwei Meter breite Scheibe einer Boeing 747-400 von Korean Air, worin auf dem Hauptdeck Platz für zwei Economy-Sitzreihen ist. Hier sieht man auf faszinierende Weise den ungewöhnlichen Rumpfquerschnitt des legendären Boeing-Jumbos als großes Oval, vor allem wie geschickt das Oberdeck samt aller Innenverkleidungen integriert ist. Unübersehbar auch ein Original-Triebwerk der 747 daneben und gegenüber eine Rokat T-50, ein in Korea gebauter leichter Kampfflieger und Jet-Trainer, inzwischen über 200 mal gebaut. Faszinierend ist auch ein eigener Raum mit einem übermannshohen, raumfüllenden Regal, in dem in beleuchteten Vitrinen wie in einem riesigen Setzkasten Artefakte aus dem Museumsdepot effektvoll präsentiert werden. Vom Pilotenhelm über Flugzeugmodelle, Luftfahrtspielzeug, Flugtaschen bis hin zum Flugschreiber gibt es viel zu entdecken.
Herzstück des Museums ist das gläserne Atrium mit Originalexponaten, vom Triebwerk und einer Rumpfscheibe einer früheren Korean Air Boeing 747-400 bis zum in Korea hergestellten leichten Kampflugzeug/Jet-Trainer Rokaf T-50. Anhand von Uniformen wird auch die aktuelle Vielfalt koreanischer Airlines dokumentiert, zu denen allein zehn Billigflieger gehören.
Text: Andreas Spaeth
Bilder: Andreas Spaeth
Zahlen, Daten, Fakten
Das National Aviation Museum of Korea befindet sich am Flughafen Seoul-Gimpo. Der lässt sich aus der City in weniger als einer halben Stunde günstig mit den U-Bahnlinien 5 und 9 erreichen, die in die andere Richtung bis zum internationalen Flughafen Incheon verkehrt. Somit eignet sich der Museumsbesuch auch für einen halbtägigen Stopover. Von der U-Bahnstation am Flughafen Gimpo aus ist das Museum hervorragend ausgeschildert. Man geht in der gezeigten Richtung auf der Ankunftsebene nach draußen, folgt den Schildern und sieht das Museum vor sich. Alternativ gibt es vom Ankunftsbereich auch einen Shuttlebus. Das Museum ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. Mehr Informationen unter
www.aviation.or.kr/eng/index.do