Drei Airlines, ein Konzern


Aus einer dänischen Reederei entwickelte sich mit Maersk Air Cargo eine der größten Fracht-Airlines Europas. Die Kombination aus Luftfracht und anderen Verkehrsträgern macht die dänische Fluggesellschaft so erfolgreich.

1904 gründete die Familie A.P. Möller die Reederei Maersk mit Sitz in Kopenhagen, aus der zügig eine ganze Unternehmensgruppe namens A.P. Möller-Maersk (APM) entstand. Ihr Leistungsspektrum umfasste Logistik, Einzelhandel, Schifffahrt, Schiffbau und ab 1969 auch die Luftfahrt. Seit 1996 ist Maersk mit über 734 Containerschiffen die größte Reederei der Erde. Mit Basis am Flughafen Kopenhagen-Kastrup wurde 27 Jahre zuvor durch Übernahme der Falck Air die Maersk Air gegründet. Ergänzend zum klassischen Angebot sollte damit auch Luftfracht befördert werden, und so wurde mit drei Fokker F-27 im Dezember 1970 der Betrieb mit Flügen nach München und London aufgenommen.

Drei Fokker F-27 bildeten 1970 die ersten Flottenmitglieder, sie wurden auf Fracht-Charter eingesetzt. Viel Glück hatte Maersk zunächst nicht; schon in der Anfangszeit gingen zwei F-27 durch Unfälle in Rönne, Bornholm und Vagar auf den Färöer-Inseln verloren. Bild: Eduard Marmet_GNU

Einstieg in den Urlaubstourismus

1971 folgte die erste Inlandroute nach Vagar auf den Färöer-Inseln und die Gründung der Danair als Dachgesellschaft für den innerdänischen Luftverkehr, der zusammen mit SAS und Cimber Air bedient wurde. 1971 folgte auch die Übernahme der beiden Reiseveranstalter Raffels Rejser und Bangs Rejser durch APM, und damit verlagerte sich der Schwerpunkt der Aktivitäten endgültig auf den Urlaubs-Passagierverkehr zu den europäischen Zielen rund um das Mittelmeer und den Südatlantik. Dafür allerdings brauchte man andere Flugzeuge als die F-27, und so kaufte Maersk aus Beständen der amerikanischen Northwest Airlines drei Boeing 720B.

[1] 1973 begann der Flugbetrieb zu den auch in Skandinavien populären Ferienzielen in Südeuropa. Hier eine der drei von Northwest Airlines übernommenen Boeing 720-051B im ersten, rein türkisfarbenen Design bei Ankunft auf dem Stockholmer Flughafen Arlanda. Bild: Lars Söderström_GNU
[2] Obwohl der 707 zum Verwechseln ähnlich, war die Boeing 720 ein konstruktiv komplett eigenständig entwickeltes Flugzeug, das im November 1959 seinen Erstflug hatte. Im Juli 1960 von United erstmals in Dienst gestellt, war die 720 als hoch leistungsfähiger Mittelstreckenjet für „Hot and High“ Flughäfen, aber auch für solche mit kurzen Pisten ausgelegt. Bild: Luftfahrtarchiv Matthias Winkler

Ausbau des Ferienflugverkehrs

Am 31. März 1973 erfolgte vor ziemlich genau 60 Jahren der erste Flug von Kopenhagen auf die griechische Insel Rhodos. Die 720B war einerseits aufgrund ihrer hervorragenden Reichweite und vor allem ihrer Startleistungen perfekt für die damals noch vielen kurzen Pisten von Ferienflughäfen geeignet, andererseits aber mit ihren vier durstigen P&W JT-3C Turbofans nach der Ölkrise mächtig teuer im Betrieb geworden. Drei Jahre später konnte Maersk mit moderneren Boeing 737-200B ihre Vier-Strahler ablösen. Als anfangs der 1980er-Jahre auch in Europa die Deregulierung des Luftverkehrs einsetzte, konnte Maersk erste Linienflüge nach Norwegen und England aufnehmen.

Ab 1976 setzte Maersk bis zu 14 Boeing 737-2L9/Adv. ein. Die vorzüglichen Allround-Eigenschaften der „Advanced“ bildeten den Grundstein des bis heute andauernden Erfolgs der einstigen „Baby Boeing“. Bild: Pablo Aragao_CC

Das Ende im Passagierverkehr

Es folgten etliche weitere Regionalverbindungen unter anderem mit Bombardier Dash-7 und Fokker F-50, doch ähnlich der deutschen Hapag-Lloyd hatten die dänischen Manager irgendwie die Lust am anstrengenden Betrieb einer Fluggesellschaft verloren, gerade weil sich der eigentlich beabsichtigte Zweck eigener Frachtaktivitäten nicht so recht einstellen wollte. 2005 fiel das Urteil, die Flugtochter wurde an eine isländische Investmentgesellschaft verkauft, die 2006 mit der weiteren Flugtochter Sterling zur Sterling Airlines fusioniert wurde. Die Finanzkrise von 2008 sorgte dann aber nicht nur für das Ende der isländischen FL Group als Prinzipalin, sondern hätte fast einen kompletten Staatsbankrott in Island bewirkt. Der Flugbetrieb wurde eingestellt und alle Namensrechte an die ebenfalls dänische Cimber Air verkauft, die 2012 aber ebenfalls in Konkurs ging.

[1] Auch der zweite Berliner Stadtflughafen Tegel ist heute Geschichte, genau wie es diese Boeing 737-5L9 der Maersk Air ist. Die Aufnahme entstand 2005 kurz vor erzwungenen Fusion von Maersk mit Sterling Airlines.

[2] Maersk wurde 2005 durch den neuen Eigentümer aus Island mit Sterling Airlines fusioniert. Noch in letzter Hybrid-Bemalung ist hier eine Boeing 737-7L9 auf dem legendären und im Oktober 2008 geschlossenen Flughafen Berlin-Tempelhof zu sehen. Im selben Jahr musste auch Sterling Airlines den Betrieb einstellen. Beide Bilder: Luftfahrtarchiv Matthias Winkler

Star Air

Nachdem Maersk Air sich zunehmend dem Passagierverkehr zugewandt hatte, wurde bereits 1987 von der Konzernleitung die Gründung einer weiteren Flugtochter beschlossen, die sich ausschließlich dem Frachtverkehr widmen sollte. Ihren Sitz bekam die Airline im nur zwölf Kilometer von Kopenhagen entfernten Dragör am Öresund, Basis wurde der Flughafen Kopenhagen-Kastrup. Der Flugbetrieb begann mit drei geleasten Fokker F-27, die ausschließlich im Wet-Lease für andere Integratoren wie FedEx, TNT oder UPS eingesetzt wurden. Ein eigenes Servicenetz wurde nicht aufgebaut.

Aber auch in diesem Fall verlagerte sich der Betrieb erneut in Richtung Passagierverkehr, was schließlich dazu führte, dass Star Air die Fokker an Maersk Air abtrat und selbst 1993 als Franchisee für United Parcel Services (UPS) unter Vertrag ging und zunächst mit zwei Boeing 727-100F den Betrieb ab dem deutschen Flughafen Köln-Bonn aufnahm, der sich schon damals zum zweitgrößten deutschen Fracht-Airport entwickelt hatte. 1996 löste Star Air die F-27 und 727 zugunsten von vier Boeing 757-200F ab, die ausschließlich für UPS eingesetzt wurden. 2003 schlossen Star Air und UPS einen neuen Zehn-Jahres Vertrag ab, wonach die 757 zurückgegeben und durch zwölf zu Frachtern umgebaute 767-200BDSF (Bedek Special Freighter) ersetzt wurden. Sie waren allesamt von der amerikanischen GE Capital Aviation Services (GECAS) geleast und stammten aus verschiedensten Ur-Quellen. Stationiert wurden die meisten dieser Jets erneut am UPS-Hub in Köln/Bonn. Ab 2014 operierte Star Air als eigenständig agierendes Tochterunternehmen von A.P. Möller-Maersk mit entsprechender Bemalung. Doch das Luftfahrtgewerbe ist extrem volatil, und so baute der dänische Konzern seine Airline 2022 erneut um.

[1] Zwölf Boeing 767-200BDSF sind bis heute in Köln/Bonn stationiert. Wer sie sehen möchte, muss allerdings nachtaktiv sein. Auch dort tobt das Leben nur bei Dunkelheit; schon im Morgengrauen sind alle Flieger, auch jene der früheren Star Air und heutigen Maersk Air Cargo, wieder in alle Welt abgehoben. Bild: Maersk

[2] Seit 2003 setzte die Maersk-Tochter Star Air zwölf Boeing 767-200BDSF für UPS ab deren Hub in Köln/Bonn ein, bis der Mutterkonzern 2022 die Airline in Maersk Air Cargo umbenannte. Hier ein Exemplar am Flughafen der italienischen Stadt Pescara. Bild: Pescafab_CC

Maersk Air Cargo

Sinn der Neu- oder besser Umwidmung war das Konzept eines integrierten Logistiknetzes, wie man es bei der Kooperation mit UPS gelernt hatte. Basis der neuen Cargo-Airline wurde der zweitgrößte dänische Flughafen Billund, Sitz des Weltunternehmens Lego, für das bereits namhafte Aufträge abgewickelt wurden. Rund ein Drittel der vorhandenen Kapazität sollen für das eigene Frachtnetz genutzt werden, zwei Drittel stehen weiterhin für andere Integratoren wie UPS oder Subcharters zur Verfügung. Die Flotte besteht aktuell aus den bekannten zwölf Boeing 767-200BDSF sowie acht weiteren 767-300ER/F, die auch ab den USA nach Südkorea und Japan eingesetzt werden. Damit ist Maersk Air Cargo eine der größten Cargo Airlines Europas. Mit der neuen Fluggesellschaft kehrte auch die traditionelle türkisfarbene Bemalung mit dem Maersk-Logo auf den Leitwerken zurück.

Maersk Air Cargo wurde 2022 gegründet. Neben den Boeing 767-200-Frachtern kamen neun größere, ebenfalls umgebaute 767-300F hinzu, genauer als 767-3P6/ER bezeichnet. Sie werden in erster Linie zwischen den USA und Ostasien eingesetzt, aber auch im Europanetz ab Köln/Bonn. Bild: Maersk
18 Boeing 737-5L9 lösten ab 1996 die bewährten -200er bei Maersk ab: Mit ihnen wurde auch eine neue, leider letzte Bemalung eingeführt. Die Serie -500 war kleinstes Modell der sogenannte Classics, die außerdem die Serien -300 und -400 umfasste. 1.988 Exemplare wurden davon von 1981 bis 2000 gebaut, davon 389 -500. Bild: Peter Bakema_GNU
Insgesamt zehn Fokker F-50 übernahm Maersk ab 1988, um die Vorteile der Deregulation des europäischen Luftverkehrs zu nutzen. Mit der F-50 flog man unter anderem von Billund nach Frankfurt, baute aber auch ein Netz von Dänemark und Schweden zu den baltischen Ländern auf. Bild: Pedro Aragao_CC
Maersk war auch im Executive-Bereich für zahlungskräftige Klientel aktiv. Hier eine Hawker-Siddeley HS-125 auf dem Flughafen Faro, der wichtigsten portugiesischen Feriendestination an der Atlantikküste. Die HS-125 war in den 1990er-Jahren einer der populärsten Bizjets, der mit bisher über 1.700 Exemplaren bis heute gebaut wird. Bild: Pedro Aragao_CC
Maersk übernahm in den 1990ern häufig Berater- und Charterverträge für die neuen Airlines aus dem Baltikum. Estonian Air gehörte dazu, für die verschiedene 737-500 eingesetzt wurden. Hier ein Exemplar in Mischbemalung um 1998, doch weder Estonian noch Maersk überlebten die harten Marktbedingungen. Bild: Alexander Jonson_CC
Die de Havilland Canada DHC-7, oder kurz Dash-7, war ein höchst leistungsfähiger Turboprop und speziell für Routen mit hoher Nachfrage bei anspruchsvollen Flughäfen mit kurzer Piste entwickelt. So zum Beispiel nach Vagar, der Hauptstadt der teilautonomen Republik der dänischen Färöer-Inseln im rauen Nordatlantik. Drei Dash-7 beschäftigte Maersk in den 1980er-Jahren. Bild: Udo Haafke_GNU
1976 führte Maersk die Boeing 737-200B „Advanced“ ein, von der sie nicht nur stolze 14 Exemplare erwarb, sondern mit denen auch die durstigen Boeing 720 aufgrund der massiv gestiegenen Treibstoffkosten eilig ersetzt werden konnten. Bild: Luftfahrtarchiv Matthias Winkler
Text: Fritz Gratenau
Titelfoto: Luftfahrtarchiv Matthias Winkler
Maersk Air De Havilland Canada DHC-7 - OY-MBC
Maersk Air De Havilland Canada DHC-7 - OY-MBC
Artikelnummer:
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