Die wundersame Welt der Drehflügler


Die niedersächsische Kleinstadt Bückeburg ist für ihr Schloss bekannt, doch hier in der Provinz findet sich seit über 50 Jahren auch Europas größtes Hubschraubermuseum. Mit 53 seltenen Original-Exponaten und Hunderten von Modellen bietet es eine einzigartige Reise durch die wundersame Welt der Drehflügler.
Die MBB Bo 105 ist einer der erfolgreichsten deutschen Hubschrauber, der erstmals 1967 flog und bis heute im Einsatz steht. Diese Maschine hier soll als Blickfang in Bückeburg auf das Museum aufmerksam machen und wurde früher für Kunstflug genutzt.

Flugzeugmuseen gibt es viele auf der Welt. Auch ein paar, die sich spezialisieren, etwa auf Luftschiffe, Militär- oder Segelflugzeuge. Ganz selten aber sind Sammlungen, die sich ausschließlich mit der Spezies der Drehflügler, also Hubschraubern, beschäftigen. Obwohl die eine sehr lange Geschichte haben – schon Leonardo da Vinci zeichnete im 15. Jahrhundert erste Entwürfe. Viele geniale Ingenieure und Erfinder des 20. Jahrhunderts entwickelten zunächst hubschrauberähnliche Flugmaschinen und bauten später ausgetüftelte rotorgetriebene Vehikel – etwa Louis Breguet, Henrich Focke und vor allem Igor Sikorsky. Auch ihre wegweisenden Beiträge zur Evolution werden im Hubschraubermuseum umfangreich gewürdigt.

Diese französische Airbus Dauphin steht erst seit 2022 auffällig vor dem Museum aufgeständert. Sie wurde 1978 gebaut und flog zunächst den damaligen Präsidenten von Rumänien, ab 1988 in Deutschland als Rettungshubschrauber.

Die Kleinstadt Bückeburg mit 19.000 Einwohnern liegt eine Autostunde südwestlich von Hannover in Niedersachsen und hat eine enge Verbindung zum Hubschrauberfliegen. Der nahe gelegene Flugplatz Achum wurde bereits während der Berliner Luftbrücke als Ausweichplatz genutzt, ab 1960 war hier die Heeresfliegerwaffenschule der Bundeswehr stationiert. Seit 2015 schult das Internationale Hubschrauberausbildungszentrum hier deutsche und verbündete Militärpiloten. In den frühen 1960er-Jahren begann ein einzelner Pilot der Heeresfliegerschule alles zu sammeln, was Bezug zu Hubschraubern hat. Daraus wuchs zunächst eine beachtliche Lehrsammlung auf dem Flugplatz, die dann ab 1971 erstmals öffentlich in Bückeburg im ersten und damals einzigen Hubschraubermuseum Europas präsentiert wurde. Die Stadt stellte dafür ein großes historisches Fachwerkgebäude zur Verfügung, doch die Hubschrauber konnten zunächst nur draußen im Garten gezeigt werden. 1980 entstand ein Anbau, in dem 40 Maschinen Platz fanden, und 2011 zusätzlich ein gläserner Neubau.

In einer riesigen gläsernen Vitrine am Eingang werden maßstabsgerechte 1:72-Nachbauten von nicht weniger als 500 Drehflüglern aus aller Welt präsentiert. Von der zweimotorigen Boeing Vertol 234 in Diensten von British Airways über die kleine sowjetische Mil Mi-2, die auch in der DDR flog, bis zum riesigen Versuchshubschrauber Mil V-12 von 1968 aus der Sowjetunion. In einer „Vitrine der Pioniere“ werden auch Modelle von frühen Flugapparaten gezeigt.

Alle wichtigen Hubschrauber auf einen Blick

Schon im Eingangsbereich des Museums lockt der erste Hingucker: In einer riesigen gläsernen Vitrine, die Macher nennen sie „Deutschlands größte Modellvitrine“, werden maßstabsgerechte 1:72-Nachbauten von nicht weniger als 500 Drehflüglern aus aller Welt präsentiert. Die ganze Welt des Vertikalflugs – und da gibt es wahrlich kuriose und spektakuläre Vertreter – quasi auf einen einzigen Blick. Die Herzen von Hubschrauber- und allgemeinen Modellfreunden dürften hier bereits höher schlagen. Der Museumsrundgang durch drei Gebäude und über insgesamt 2.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche ist in sieben thematische Bereiche aufgeteilt. Zu Beginn werden die Erfinder und Tüftler mit ihren Geschichten und Fluggeräten in hervorragend gearbeiteten Modellen präsentiert und gezeigt, wie sie vieles in der Natur abgeschaut haben. Schon hier wird klar: Man muss nicht speziell Hubschrauberfan sein, um trotzdem den Besuch im Bückeburger Museum anregend zu finden.

Den Pionieren des Drehflügler-Baus seit dem frühen 19. Jahrhundert ist ein ganzer Raum gewidmet: Hier wird sehr anschaulich auch anhand von Modellen vermittelt, was ihre Konzepte für Flugmaschinen waren.

Die Grundlagen der Hubschraubertechnik

Hubschrauber-Pionier Igor Sikorsky (1889–1972) wird mit dem Satz zitiert: „Die vielen Verwendungen, die Hubschrauber heute finden, habe ich nicht vorausgesehen. Aber ich bin der Überzeugung gewesen, dass ein Fluggerät, das wie ein Kolibri fliegen kann, äußerst nützlich sein würde.“ Der aus Kiew gebürtige Sikorsky siedelte mit 20 bereits in die USA über und fing 1939 an, Vorläufer heutiger Hubschrauber zu bauen. Schnell wurden die vielen Vorteile offensichtlich, die Drehflügler gegenüber Starrflüglern haben, und viele von Sikorsky erstmals verwendeten Technologien sind heute noch zentraler Bestandteil aller Hubschrauber. Besucher in Bückeburg sind meist überrascht über die Vielfalt an unterschiedlichen Bauweisen und Funktionsprinzipien, die es bei diesen Fluggeräten gibt, die sich eben nicht in dem erschöpfen, was Großstädter oft etwa als Rettungshelikopter am Himmel sehen. Im Museum wird unterschieden zwischen konventioneller Bauweise mit Haupt- und Heckrotor sowie Varianten mit gegenläufigen Rotoren: koaxialer Bauweise (zwei Hauptrotoren übereinander), Tandemanordnung (zwei Hauptrotoren hintereinander), Parallelanordnung (zwei Hauptrotoren nebeneinander) sowie Ineinanderkämmen der zwei Hauptrotoren. Schließlich gibt es noch den sogenannten Verwandlungs-Hubschrauber oder Tiltrotor, der steigt und sinkt wie ein Helikopter, aber im Reiseflug fliegt wie ein Flugzeug.

Hubschrauber, wohin das Auge blickt

Nicht weniger als fünf verschiedene Räume des Museums, deren Namen zum Beispiel von Voliere über Wunderkammer bis Heeresfliegerraum und der Garage reichen, sind mit Original-Hubschraubern bestückt. Die Garage ist der zentrale und größte Ausstellungsraum für Drehflügler, nicht weniger als 27 Exemplare, mehr als die Hälfte aller ausgestellten Hubschrauber stehen hier. Eine faszinierende Weltreise durch das Universum der Rotorflieger, wo deutsche, britische, russische und amerikanische Typen nebeneinanderstehen. Das größte Einzelstück ist die „Fliegende Banane“ Vertol V-42, entwickelt von Frank Piasecki in den frühen 1950er-Jahren, später auch bei den deutschen Heeresfliegern im Einsatz. Im Saal Technik ist die Evolution des deutschen Hubschrauberbaus der letzten Jahrzehnte direkt nebeneinander zu besichtigen – von der Einmann-Bölkow Bo 103 von 1961 über die berühmte Bo 105 von 1967 bis zur MBB/Kawasaki BK 117 von 1979 und der MBB Bo 108 von 1988, heute auf dem Markt erfolgreich als Eurocopter EC-135. Faszinierend auch das im Museum in Aktion vorgeführte Modell der VFW VC 400, ein mittelschweres, senkrechtstartendes Flugzeug für den zivilen und militärischen Einsatz mit kippbaren Tandemflügeln, deren Funktion auf Knopfdruck sichtbar wird. Das Projekt wurde vor der Fertigstellung des ersten Prüfstands 1971 aufgegeben – zu teuer. Das Museum verschließt aber auch nicht den Blick vor der wichtigen Frage, welche Rolle Hubschrauber in den nächsten 25 Jahren spielen können. Vor dem Hintergrund des anbrechenden Flugtaxi-Zeitalters aktueller denn je.

Die Aérospatiale Puma und später Super Puma waren ein französisch-britisches Gemeinschaftsprojekt. Dieser mittlere Transporthubschrauber flog als Serienmodell erstmals 1968 und entwickelte sich zu einem wahren Arbeitspferd, das ab 1978 bis zum Produktionsende 1987 sogar Allwettertauglichkeit vorweisen konnte.
Von 1965 bis 1985 wurde die sowjetische Kamov Ka-26 mit Koaxialrotor produziert, von der ab 1970 insgesamt 24 in der DDR vor allem als Agrarhubschrauber zur Schädlingsbekämpfung und der Elektrifizierung des Bahnnetzes eingesetzt wurden.
Drehflügler für den Passagierverkehr waren die Vision der 1960er-Jahre. Die VFW VC 400, ein mittelschweres, senkrechtstartendes Flugzeug für den zivilen und militärischen Einsatz mit kippbaren Tandemflügeln, deren Funktion auf Knopfdruck im Museum beim Modell sichtbar wird. Das Projekt wurde vor der Fertigstellung des ersten Prüfstands 1971 aufgegeben – zu teuer.
Die Mitte der 1950er-Jahre in nur einem gebauten Exemplar erprobte britische Fairey Rotodyne war ein Transporthubschrauber mit Rotor, der zusätzlich über Flügelstummel mit zwei Turboprop-Triebwerken für den Reiseflug verfügte.
Text und Bilder: Andreas Spaeth

Information

Das Hubschraubermuseum liegt in der Innenstadt von Bückeburg, am Sablé-Platz 6, Telefon +49-5722 5533, www.hubschraubermuseum.de. Geöffnet ist täglich von 10:00 bis 17:00 Uhr, Eintritt 9,50 Euro für Erwachsene.