Air Caraibes
Regionaler Carrier auf der Langstrecke


Guadeloupe, die größte Insel der Kleinen Antillen in der Karibik, gehört politisch gesehen zu Europa. Denn das Archipel, zu dem acht bewohnte und mehrere unbewohnte Inseln gehören, ist ein französisches Überseedépartement, weshalb Flüge von und nach Paris auch als Inlandflüge gelten. Um den Inselbewohnern verbilligten Zugang ins europäische Mutterland zu ermöglichen, werden sie vom französischen Staat subventioniert. Neben Air France und Corsair bietet vor allem Air Caraïbes diese Verbindung an.

Neben Martinique, Saint Barthélemy und Saint-Martin ist Guadeloupe nur eines von vier Überseegebieten der französischen Antillen. Sie verfügen über eine eigene Teilsouveränität und verfolgten auch hinsichtlich des Luftverkehrs lange Zeit ihre eigenen Interessen. Durch den Zusammenschluss der bis dahin getrennt operierenden Air Guadeloupe, Air Martinique, Air Saint Berthélémy und Air Saint Martin entstand im Jahr 2000 die Air Caraïbes mit Sitz in Les Abymes und Basen auf den Flughäfen Point-à-Pitre auf Guadeloupe sowie Fort de France auf Martinique. Eine weitere Basis wurde am Flughafen Paris Orly geschaffen.

Waren es zunächst nur regionale Dienste, wurde die Airline mit Übernahme durch die „Groupe Debreuil“ aus Bellevigny bei Nantes auch zu einem „regionalen Langstreckencarrier“. Auch um nicht länger abhängig von der Air France zu sein, gründete der CEO der Gruppe, Paul-Henri Dubreuil, 2003 die Schwestergesellschaft Air Caraïbes Atlantique, die bis dahin den Verkehr zwischen dem Mutterland und den karibischen Départments quasi allein beherrschte. Mit Airbus A330-200/-300 nahm Air Caraïbes Linienverbindungen ab Point-à-Pitre nach Paris-Orly auf, hinzu kamen Charterverträge, die sie sogar nach Stockholm und Kopenhagen führte.

Erste französische Betreiberin der A350

Bis 2007 ging es steil bergauf, doch dann sorgte die Finanzkrise ab 2008 für einen derben Einbruch. Als Konsequenz wurde die Airline umstrukturiert. Es gab nur noch eine Air Caraïbes, und auch die Flotte wurde auf ATR und Airbus vereinheitlicht. Not macht wie immer erfinderisch, und so konnte mit der staatlichen französischen Eisenbahngesellschaft SNCF ein neues Angebot namens TGV AIR kreiert werden. Von zahlreichen französischen Bahnhöfen konnten jetzt Hochgeschwindigkeits-Züge zu dem südlich von Paris gelegenen Bahnhof Massy TGV gebucht werden, der unmittelbaren Anschluss nach Orly bietet – alles all inclusive.

Das Angebot wurde sehr gut angenommen, so dass sich Air Caraïbes zügig von den Folgen der Finanzkrise erholen konnte. Das Streckennetz wurde erneut erweitert, und 2017 übernahm Air Caraïbes als erste französische Gesellschaft zwei Airbus A350-900 für die Langstrecke. In einer Drei-Klassen-Bestuhlung und zehn Sitzen pro Reihe in der Economy boten die modernsten Jets von Airbus rekordverdächtigen 389 Passagieren Platz. Die dichte Bestuhlung ist sicher auch der erwähnten Subventionierung der „Langstrecken-Inlandsflüge“ zwischen Paris und der Karibik geschuldet, durch die die Kosten pro Sitz gesenkt werden sollen.

Über 400 Passagiere in Zehnerreihen

Noch härter kam es 2019, als Air Caraïbes mit Einführung ihres neuen Flaggschiffs A350-1000 den bisherigen Weltrekord beim Platzangebot in diesem Flugzeugtyp brach. 429 Sitze, davon 360 in der Economy-Class, ist eine Passagierkapazität, die kein anderer Betreiber der A350 erreicht. Die Gegenleistung stimmt allerdings milder – zum einen sind die Flugpreise überaus günstig, zum anderen wird ein Sitzabstand von 80 cm mitunter selbst von Traditionslinien unterboten. Die drei Buchungsklassen der Air Caraïbes tragen klangvolle Namen: 360 Passagieren bietet in der Economy die „Classe Soleil“ mit Verpflegung und Getränken Platz.

Die „Classe Caraïbes“ mit 45 Sitzen ist eine Art Premium Economy mit verbessertem Bordservice und vor allem größerem Sitzabstand, und in der „Classe Madras“ bietet die Airline 24 Passagieren den Service einer guten Business Class einschließlich Liegesitzen, die sich um 160 Grad zurückstellen lassen. Inzwischen fliegt Air Caraïbes ab Orly alle vier Départments an und darüber hinaus via Point-à-Pitre oder Fort-de-France auch Haiti, die Dominikanische Republik, die Bahamas und sogar Kuba.

Im Service ist Air Caraïbes durchgehend mit drei Sternen bewertet. Guter Durchschnitt also, in dem sich auch weit bedeutendere Fluggesellschaften in der Beurteilung wiederfinden. Im Regioverkehr setzt sie heute ausschließlich ATR-Turboprops in der modernsten Version -600 ein, die mit 74 Sitzen aber auch wieder bis zum Maximum bestuhlt sind.

Trotz der genannten Kritikpunkte gehört Air Caraïbes zum Besten, was die Karibik insgesamt im Luftverkehr zu bieten hat. Das liegt in erster Linie an der hoch modernen Flotte und am soliden Service, der natürlich immer auch etwas Luft nach oben lässt.

Text: Fritz Gratenau
Bilder: Timo Breitenstein, Airbus und Aero

Zahlen, Daten, Fakten

Starke Nerven erforderte der Flugbetrieb in den frühen Jahren der Air Caraïbes. Vorallem bei dem Anflug einer Cessna „Grand Caravan“ auf die Insel St. Barth, etwa 20 Flugminuten von St. Maarten entfernt. Nach der Umstrukturierung 2008 wurden diese Ultra-Kurzstreckenflüge aufgegeben. 2017 übernahm Air Caraïbes ihre erste von heute drei Airbus A350-900. Sie fliegen unter anderem ab Paris-Orly sechs Übersee-Départements in der Karibik an.